32 | Literatur Foto: Adobe Stock MENSCHEN ODER MONSTER? Manchmal braucht es einfach etwas Nervenkitzel – und einen guten THRILLER. Sandra Heick hat sich durch einen Haufen Bücher geschmökert und Tipps parat. Es gilt jedoch zu bedenken: Manche durch Worte erzeugte Bilder bleiben ... Faszinierende Leichen Dr. Gretchen White löst als Spezialistin für Persönlichkeitsstörungen und Gewaltverbrechen Kriminalfälle – auf ihre ganz eigene Art. Sie ist nämlich eine diagnostizierte Soziopathin, die Leichen faszinierend findet. Ihre Art, die Welt zu sehen, hilft ihr auch beim Fall Viola Kent. Die 13-Jährige gilt als gewalttätig, erbarmungslos und manipulativ – und wird von der Bostoner Polizei als angehende Psychopatin gesehen. Gretchen aber glaubt nicht, dass das Mädchen in diesem Fall die Täterin ist, und macht sich auf die Suche nach der Wahrheit. Auch wegen der Parallele zu ihrer eigenen Kindheit: Grechen wurde damals verdächtigt, ihre Tante getötet zu haben – doch einen Beweis gab es nicht. „Lieblingstochter“ ist ein vielversprechender Auftaktband mit mehreren Zeitebenen, der nicht unbedingt mit seinem Spannungsbogen, aber mit seinen Charakteren fesselt. Brianna Labuskes, Lieblingstochter, Piper Dunkle Vergangenheit Abgelegen, überragt von dunkel drohenden Gipfeln, war Le Sommet schon immer ein unheimlicher Ort. Einst diente das Gebäude als Sanatorium für Tuberkulosepatienten, dann verfiel er mit den Jahren – und nun ist er ein Luxushotel. Doch im Sanatorium ging einst Dunkles vor, von dem mancher nicht will, dass es ans Licht kommt. Als Detective Inspector Elin Warner zur Verlobungsfeier ihres Bruders Isaac im Hotel eincheckt, beginnt für sie ein Albtraum. Isaacs Verlobte verschwindet, eine Leiche wird gefunden – und ein Schneesturm schneidet das Hotel von der Außenwelt ab. Immer wieder sind da Panikattacken. Doch vor wem gilt es sich zu fürchten?„Das Sanatorium“ von Sarah Pearse ist ein Thriller, dessen kurze Kapitel einen Sog erzeugen. Es geht um alte Wunden, um allerlei Zwischenmenschliches, und man will wirklich wissen, was war und ist. Sarah Pearse, Das Sanatorium, Goldmann Wer ist das Monster? „Wenn sie wüsste“ aus der Feder von Freida McFadden ist ein Thriller mit unerwarteter Wendung, der ohne viel Blut daherkommt und lange offen lässt, wer das Monster ist. Millie kann ihr Glück kaum fassen, als sie eine Stelle als Haushaltshilfe inklusive Kost und Logis auf Long Island bekommt – denn da ist etwas in ihrem Lebenslauf, das dunkel ist. Doch die Freude der jungen Frau währt nur kurz. Kaum ist Millie im Haus ihrer Arbeitgeber eingezogen, richtet Hausherrin Nina Chaos an und unterstellt ihr Dinge. Und auch Ninas Tochter ist nicht gerade freundlich zum Neuankömmling. Lediglich Ninas Mann Andrew, den Millie durchaus attraktiv findet, ist nett zu ihr. Doch der Grund ist ihr nicht wirklich klar... Wo die Grenze zwischen Gut und Böse verläuft, ist lange offen – das macht den Reiz des Buches aus. Freida McFadden, Wenn sie wüsste, Heyne
Literatur | 33 Tiefe Abgründe Als Smilla und Juli Teenager sind, verschwindet Juli spurlos. Zehn Jahre später arbeitet Smilla als Volontärin bei einem Lokalsender – und schließt ihre Augen nicht vor der Tatsache, dass oben in den Bergen immer wieder Frauen zu Vermissten werden. „Wolfskinder“ ist Smillas Geschichte, aber auch die Geschichte von Jesse, der „oben“ aufwächst – unter rauen Bedingungen, abgeschottet von der modernen Welt. Von Rebekka, seiner Freundin, die plötzlich nicht mehr gesehen wird. Und auch von Edith, einem kleinen Mädchen, das von seinem Vater das Töten gelernt hat. Autorin Vera Buck, in NRW geboren, schreibt düster-atmosphärisch und lässt brutale Szenen nicht aus. Ein spannendes Thriller-Debüt, das sich tief in menschliche Abgründe wagt. Vera Buck, Wolfskinder, rowohlt Bonnie und Clyde-Vibes Wolfgang Hohlbein, aufgewachsen in Krefeld, ist vor allem für seine Fantasy-Bücher bekannt. Aber auch das Thriller-Genre hat es dem Erfolgsautor angetan. In „Verderben – Kinder des Zorns“ wird Kriminalhauptkommissarin Conny Fesser undercover auf einer Vernissage des Gangsterbosses Maxim Kutzow angesetzt. Als sie dort auf ein junges Mädchen trifft, weckt dessen Aufmachung und Verhalten einen furchtbaren Verdacht: Betreibt Kutzow Menschenhandel? Fesser geht dem nach – auf ungewöhnliche Art und Weise. Sie wird schon bald als Kutzows Komplizin betitelt. Ein zweiter Handlungsstrang dreht sich um Marc, der in Russland in Konflikt mit der Polizei gerät – und erst spät wird klar, wie alles zusammenhängt. Trotz einiger Längen: Besonders die Bonnie und Clyde-Vibes machen das Buch lesenswert. Wolfgang Hohlbein, Verderben – Kinder des Zorns, Piper Ruhrgebietsthriller „Totemwald“ von Bernhard Klaffke, in Duisburg geboren, spielt im Ruhrgebiet. Als Kommissar Frank Fröhlig von seiner Ex- Frau – und direkten Dienstvorgesetzten – während eines Unwetters zu einem Tatort gerufen wird, ahnt er das Ausmaß des Schrecklichen nicht, das ihn erwartet. Der Fund: 17 Leichen, einige davon enthauptet. Ein Ritualmord? Gedankenwelt und Vorgehensweise des Mörders, dessen Leidenschaft es ist, Leiden zu schaffen, sind nur schwer zu ertragen. Die Suche nach ihm führt Frank Fröhlig bis in die Tiefen des Duisburger Stadtwalds. Und an die Duisburger Uni, zum Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz. An seiner Seite agiert Julia Stern vom LKA, die ihr Asperger-Syndrom als Gabe zu sehen weiß – und dem Buch viel Charme inmitten von Verstörendem verleiht. Bernhard Klaffke, Totemwald, CW Niemeyer Hello Darkness Buchbloggerin Faja traut ihren Augen nicht, als sie ihren Kollegen Claas vor sich auf dem Bildschirm sieht: geknebelt, gefesselt, in Todesangst. Die Botschaft dazu ist an sie persönlich gerichtet. „Erzähl mir eine spannende Geschichte. Sie darf fünf Wörter haben. Nicht ein Wort zu viel. Sonst muss dein Freund sterben.“ Was wie ein schlechter Scherz klingt, ist keiner – doch Faja hat keine Ahnung, wer da ein perfide Spiel mit ihr treibt. Und: auf Claas folgen weitere Opfer. Spannend, die Vorstellung, dass fünf Wörter über Leben und Tod entscheiden. Dass Andreas Winkelmanns Thriller in der Buchszene spielt, macht das Werk noch interessanter. Und dann ist da noch dieser düstere Song von Simon & Garfunkel... Andreas Winkelmann, Nicht ein Wort zu viel, rowohlt Gefangen im Büro Ein Vorstellungsgespräch kann schnell wie ein Albtraum wirken, aber was PR-Managerin Kate Harding auf der Suche nach einer neuen Stelle bei Edge Communications erlebt, ist wirklich einer. Ein leeres Büro wird zum Gefängnis und ein seriös wirkender Mann zur tödlichen Gefahr. Eingesperrt in einem Glaskasten in einem leeren Bürogebäude ist Kate allein mit dem Fremden, der Informationen über ihre Vergangenheit will. Der die Wahrheit sucht. In kurzen Kapiteln führt C.M. Ewan die Leser:innen immer näher zu ihr. Zwar fehlt dem Thriller der ganz große AHA-Effekt, dennoch ist es spannend, sich in das Geschehen auf Etage 13 reinzufühlen. Es geht um Macht, um Korruption, um die Flugzeugindustrie, um Risikoanalysen, um PR. Um Täuschung und Enttäuschung. Und um die Frage, warum Menschen über Leichen gehen... C.M. Ewan, Etage 13, Blanvalet
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