26 | Theater Urban Arts in Oberhausen: Das HipHop-Tanztheater „Faster“ vom Renegade-Ensemble. WAS BRINGT DIE NEUE THEATERSPIELZEIT IN DER REGION? Vom Musical „Rent“ bis Urbanatix: Ariane Schön gibt Einblicke in den SAISONSTART in Dortmund, Gelsenkirchen, Essen, Oberhausen, Bochum und Duisburg. Bereits im 17. Jahrhundert kursierte der Ausspruch „Geld regiert die Welt“, der bis heute Theater regelmäßig zu Stücken ermutigt. Das Dortmunder Schauspiel versucht es mit einem komödiantischen Musical: Eine Theatergruppe möchte „Das Kapital“ von Karl Marx auf die Bühne bringen, aber zunächst müssen sie das Geld für die Inszenierung auftreiben. Kunst und Kommerz wollen aber nicht so recht zusammen passen und so sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Die deutschsprachige Erstaufführung verantwortet Kieran Joel, er verspricht Unterhaltung mit Ohrwurmgarantie. Einen ernsten Hintergrund hat Murat Dikencis Deutung von Albert Camus „Die Gerechten“, aus dem er „Die Gerächten“ macht: Eine Geschichte rund um eine postmigrantische Terrorgruppe im Jahr 2023. Gleich zweimal inszeniert Regisseur Gil Mehmert am Opernhaus. Dort setzt er Giacomo Puccinis „La Bohème“, die schicksalhafte Liebesgeschichte zwischen Adolpho und Mimi im ärmlichen Pariser Künstlermillieu um 1900, in Szene. Anschließend folgt das Musical „Rent“, die rockige Variante der Bohème-Story von Jona- than Larson. Statt eines Orchesters gibt’s eine Band, statt Operngesang und Chor nun griffige Songs und Tanzszenen. Das Broadwaymusical spielt im New Yorker East Village in den 90ern, hier geraten drei Künstler durch steigende Mieten in Not und der Figur der Mimi wird nicht Tuberkulose, sondern Aids diagnostiziert. Im Doppelpack können beide Stücke am selben Tag gebucht werden (15.10. & 10.12.). Ein weiteres Jonathan Larson Werk läuft am Gelsenkirchener Musiktheater. In „Tick, Tick … Boom!“ verarbeitet der Musicalkomponist seine eigenen Erfahrungen. Er zeigt, wie negativ sich Erfolgsdruck und Existenzangst auf ein Künstlerleben auswirken können. Der Autor selbst wirkt in der Netflix-Verfilmung seines Stückes mit. Opernbegeisterte können sich am MiR auf „Salome“ freuen sowie auf den Tanzabend „Don Q“ von Giuseppe Spota und Jasmin Vardimon rund um den berühmten Tagträumer und Abenteurer Don Quijote. Eine neue Doppelspitze hat das Sagen im Essener Schauspiel, wenn dort Selen Kara und Christina Zintl die Intendanz nach 13 erfolgreichen Jahren von Christian Tombeil übernehmen. Sie möchten nicht weniger als „ein neues deutsches Theater – das Grillo für alle“ und planen Stadtraumprojekte wie „Einkaufsstadt, 4300“ und die Beteiligung von jungen Menschen aus dem Stadtteil Katernberg in einer Adaption von Romeo und Julia („Star-Crossed Lovers“). Doch zunächst gibt’s mit der Uraufführung „Doktormutter Faust“ einen feministischen Blick der Autorin Fatma Aydemir auf Goethes Werk. Außerdem im Programm sind Bertolt Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ und „Rausch“ nach dem Film von Thomas Vinterberg. Für die Kinoadaption konnte der vielfach prämierte Autor und Theatermacher Armin Petras als Regisseur gewonnen werden. Das Opernhaus lädt zu „Macbeth“ von Giuseppe Verdi ein und lockt mit Unterhaltung in „My Fair Lady“. Ein Blick nach Oberhausen macht neugierig. Intendantin Kathrin Mädler blickt auf eine erfolgreiche letzte Spielzeit zurück und sie startet wieder mit einem Liederabend, diesmal gestützt auf Noah Haidles Einakter „Schauet“ – Songs und
Theater | 27 Foto: Oliver Look Geschichten, die das Leben schrieb. Weiter geht’s mit Yasmina Rezas bissiger Komödie „Kunst“, gefolgt vom politischen Schauspielstück „Die Brücke von Mostar“. Aus der Perspektive von Jugendlichen erzählt der britisch-bosnische Autor Igor Memic von ethnischen und nationalistischen Spannungen der 1990 Jahre, in deren Folge der Bosnienkrieg das verschlafene Dorf Mostar heimsucht. Viele (junge) Menschen werden sicher von der neuen Sparte „Urban Arts“ begeistert sein, ein Kreativteam entwickelt das „Multiversum“ mit Jugendlichen, ein Stück aus experimentellen Tanz- und Theaterformen. Es gibt Performances, Workshops, Aufführungen wie „Faster“, ein HipHop-Tanztheaterstück von Renegade. Straßenkultur meets Stadttheaterbühne, ein in NRW einzigartiger Ansatz, der sich verstetigen soll. Urbane Hochkultur gibt’s auch in Bochum, wenn Urbanatix mit einer neuen Show im Schauspielhaus Premiere feiert – allerdings erst Anfang nächsten Jahres. Vorher darf man sich auf ein neues Stück von Saara Turunen freuen, die mit „Früchte der Vernunft“ einen episodischen Bilderkosmos vor den Zuschaueraugen auffächert. Im Zentrum steht der gesellschaftliche Blick auf den Frauenkörper. Eine theatrale Installation plant Robert Borgmann mit seiner Version des Revolutionsklassikers „Dantons Tod“ nach Georg Büchner. Mit einer Vielzahl von Stimmen und Positionen lotet er die Schwierigkeiten aus, sich für Widerstand zu formieren, um der Lähmung durch die Krisenhaftigkeit der Welt zu entkommen. Hausherr Johan Simons nimmt sich „Die Brüder Karamasow“ von Dostojewskij vor, und nach mehreren gefeierten Gastspielen des Nederlands Dans Theaters entwickeln Imre und Marne van Opstal die Choreografie „Out of Touch“ für Bochum. Foto: Dursun/Jusufovic Raphael Westermeier und Adi Hrustemovi in „Das Kapital“ in Dortmund.
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