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November 2017 - coolibri Oberhausen, Duisburg, Mülheim

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M U S I K V O N H I E R

M U S I K V O N H I E R Zwei Männer und ein Pony Ein Herbsttag in Düsseldorf – die Post kommt an. Unter den Umschlägen eine Platte, adressiert an die Musikredaktion. Zum Vorschein kommt: Das vielleicht originellste Plattencover des Jahres. Und die Songs auf der Scheibe sind auch richtig gut! Grund genug, den beiden abgebildeten Herren ein paar Fragen zu stellen: Los Dos Cerrados aus Dortmund. Wer seid Ihr eigentlich? Diego Ropa: Mit dieser Frage habe ich mich schon oft beschäftigt – wird mal Zeit für eine Antwort. Carlos del Fuera: Vielleicht so: Ein Minimal-Surf-Duo aus Dortmund, das ohne Effekte das macht, was es soll - instrumentale Surfmusik. DR: Der Bandname ist eine Hommage an ein geschlossenes Ferienhaus auf Formentera: „Casa Cerrada“. Wann habt IhrEuch zum ersten Mal getroffen? CdF: Auf einer Wiese, im Schnee, damals in Altena. DR: Das ist schon echt so richtig lange her. Irgendein Jubiläum hätten wir inzwischen mal feiern sollen! Wie seid Ihr auf die Idee zu diesem wirklich großartigen Cover Eurer EP gekommen? DR: Irgendwie hatten wir keine bessere Idee. CdF: Das war auf der vorletzten Tournee durch Nordeuropa. Auto und Klamotten wurden uns geklaut. Wie war das Shooting mit Pony? DR: Kurz und knackekalt. CdF: Pferde sind schon ganz schön warme Tiere. Wie lasst Ihr Euch inspirieren? DR: In erster Linie sind das Bands und Musiker, die ihre Musik leben. CdF: Und einmal im Jahr schauen wir beim „Surfer Joe Festival“ in Livorno (Italien) vorbei (Tipp!), da sind immer wahnsinnig gute Surf-Bands aus der ganzen Welt. Was passiert als nächstes? CdF: Im nächsten Jahr wollen wir unsere LP produzieren – die ersten Aufnahmen dazu stehen zum Glück schon. Tossia Corman EP-Release: 17.11., subrosa, Dortmund; losdoscerrados.surf 44 Foto: Marian_Kolodziejczyk A L B U M D E S M O N A T S Just Another Foundry „Bouwer“ Manchmal entdeckt man Perlen im Plattenregal, die hätte man fast übersehen. Schon etwas länger veröffentlicht ist das Album der Kölner Formation, dafür aber als Soundtrack für den Herbst wie gemacht: Drums. Kontrabass und Saxophon verschmelzen auf dem Debüt des Trios zu einer perfekten Symbiose, schaffen es, zusammen zu spielen und doch jeder für sich zu stehen. Eher selten, auch im zeitgenössischen Jazz, die Besetzung ohne Harmonieinstrument. Das tut der Klarheit und Eingängigkeit der Stücke aber keinen Abbruch. Hat man sich erst einmal „reingehört“, finden auch genrefremde Musikliebhaber Zugang zu den neun wirklich (nicht unbedingt im klassischen Sinne) schönen Stücken. Wärmste Empfehlung. VÖ: 13.4.2017 – Double Moon Foto: Florian Herzog New.Heimat.Sounds Compilation Eine Idee, so simpel wie gut: Anfang des Jahres rief das Team der New.Heimat.Sounds Düsseldorfer Bands dazu auf, sich mit einem Song für die jetzt erschienene Compilation zu bewerben. Die 14 überzeugendsten bekamen ihren Platz auf der CD, et voilá: Fertig ist eine wirklich aussagekräftige Momentaufnahme der hiesigen Musikszene. Man könnte unken, dass keine wahre Neuentdeckung auf dem Sampler vertreten ist, dafür aber die, die man erwarten würde: Luise Weidehaas, Tice, Creeps, The Buggs und John Wayne on Acid, um ein paar zu nennen. Die sind es aber auch, die momentan Düsseldorf aktiv und erfolgreich als Musikstadt repräsentieren. VÖ: 27.10. – support records Foto: support records Neufundland „Wir werden niemals fertig sein“ Die Kölner Band Neufundland passt nicht in eine Schublade. Soundtechnisch eher in die härtere Pop-Richtung, mit straighten Beats, viel Synthie und verzerrten Gitarren, könnten die Texte auch am Lagerfeuer zur Akustik- Klampfe vorgetragen werden. Und würden nichts einbüßen, an Ausdruck oder Aussage. „Wir sind so wie wir sind“, heißt es so auch in „Bis es stimmt“. Und besser könnte es kaum sein. „Wir werden niemals fertig sein“ ist der Titel des Debüt-Albums der Fünf. Und man nimmt sie zu gern beim Wort – bitte ganz schnell noch viel mehr! VÖ: 17.11. – Neufundland Foto: Neufundland Rogers „Augen auf“ Düsseldorfs very own Punk-Lokalmatadoren legen nach: „Nichts zu verlieren“ war der Titel des letzten Albums. „Augen auf“ heißt der Nachfolger. Die Richtung wird klar: Sei laut, sei geradeheraus, sag, was dir nicht passt und kommentiere, was um dich herum passiert. Und das machen die vier Jungs. Mit klaren Worten, die beim zweiten Hinhören durchaus poetisch sind, lauten Gitarren und viel Attitüde. Perfekt zum Im-Auto-mitbrüllen, wenn mal wieder alles kribbelt, weil die Welt so ungerecht ist. VÖ: 8.9. – People Like You Records / Sony People Like You Records / Sony

A L B E N H Ü S K E R D Ü Z U G E Z O G E N M A S K U L I N M O R R I S S E Y Savage Young Dü In den 1980er-Jahren wollte sich Alternative Rock noch als Alternative darstellen. Im Zeitalter, wo jede Foo-Fighters-Veröffentlichung klingt wie ein billig-mainstreamiger Tom-Petty-Rip-Off, zeigt diese Sammlung früher Hüsker-Dü-Werke die einsame Klasse dieses Trios aus Minneapolis. Sie zersägten mit Highspeed-Attacken herkömmliche Song-Strukturen und schafften es wie keine zweite Band, zuckersüße Hippie-Melodien hinter aggressiven Gitarrenwänden zu verstecken, deren Sound an Kreissägen oder Motorengeräusche erinnern. Ingesamt 69 Songs sind für diese Box zusammengesucht worden, dazu gibt es ein 144-seitiges Begleitheft mit vielen Fakten. Ein irrer Trip in vergangene Zeiten. Numero Group Alle gegen Alle Etwas weniger Rap, aber dafür beißende Gesellschaftskritik wird von den beiden Berlinern vorgetragen. Im Titeltrack „Alle gegen Alle“ wünschen sie sich den Naturzustand des Menschen zurück, der mehr auf Händchenhalten und Kuscheln setzt. Doch dann kommen Grim 104 und Testo richtig in Fahrt: Sie prangern die Diktatur der Follower an und wenden sich an die 2.0-Generation der retuschierten Plastikmenschen, die sich hinter ihren Instagram-Fassaden verstecken. Der Song „Steffi Graf“ liefert ein Klangkleid aus meterhohem Synthie-Pop-Bombast – coole Stolperbeats und zackiger Klagegesang liefern dazu klirrende Kontraste. Moderner und schärfer kann man den Soundtrack des Jahres 2017 nicht gestalten. Four Music/Sony Low in High School Morrissey ist so etwas wie der Helmut Berger des Dandy-Pop. Er ist ein autarker Einzelkünstler, der zur Verschwendung neigt und manchmal nicht merkt, wann es zu viel ist. Sein querköpfiger Charakter sorgt für Schwierigkeiten – und so kommt es nicht von ungefähr, dass er sich nach fast jedem Album mit seiner Plattenfirma überworfen hat. Für Werk Numero 11 hat er nun sein eigenes Label gegründet. Wie eh und je schnulzt er sich durch die Posie eines Oscar Wildes und aufgenommen wurde unter der Regie von Joe Chiccarelli – das passt. Denn die Songs sitzen und der Britpop-Großmeister ist immer dann am besten, wenn er zwar von der Liebe schwärmt – aber gleichzeitig unfähig ist, diese in sein Leben zu lassen. Etienne/BMG Rights A N T I F L A G L I M A B O O T S Y C O L L I N S American Fall Das Credo „Versöhnen statt Spalten“ wurde von Johannes Rau in die Politik gebracht. In ähnlicher Weise probieren Anti-Flag mit diesem zehnten Album, versöhnliche und erklärende Worte in einer unverständlichen Welt zu finden. Die Pittsburger Jungs stehen auf der Seite der benachteiligten Underdogs und kommentieren mit sarkastischem Unterton das alltägliche Leben in den USA. Dies ist eine Bestandsaufnahme über ein korruptes System: Die Themenfelder Krieg, Machtgeilheit, Profitgier, Rassenunruhen und Finanzkrisen sind hier die prägenden Textinhalte. Mit lautem Punkrock wird sich die Welt zwar nur minimal verbessern. Aber jeder Versuch ist ehrenwert. Spinefarm/Universal 1982 Jede Band probiert auf ihre Art und Weise, den Zeitgeist einer sich ständig verändernden Zeitphase einzufangen. Die Dänen Casper Clausen, Rasmus Stolberg und Mads Brauer sowie der finnische Percussionist Tatu Rönkkö suchten für ihr neues Album Hilfe beim Grizzly-Bear-Produzenten. Herausgekommen ist ein elektronisches Konzept-Album mit Tiefgang. Auch nach mehrmaligen Durchgängen geben Lima immer wieder überraschende Details preis: Mal klingt ihr Sound nach Human League und mal nach A Flock Of Seagulls. Richtig, hier wird Synthie-Pop veredelt und geschliffen, bis er wie ein düster schimmernder Pop-Kristall klingt. City Slang/Universal World Wide Funk Aufgenommen in seinem Haus in Cincinatti, hat sich Bootsy für das Album eine riesige Gruppe von befreundeten Künstlern eingeladen: Blue- Chip-Rapper wie Doug E. Fresh, Big Daddy Kane, DJ Quik, Dru Down und Chuck D hat der verrückte Funk-Meister hier zusammen mit Gitarren- Freak Buckethead, Ex-Prince-Drummer John Blackwell oder Rock-Ikone Iggy Pop an einen Tisch gesetzt. Manche Sounds klingen wie aus dem Jahr 1976, das kann kein Zufall sein, denn der P-Funk hatte im Zeitalter der Plateauschuhe bekanntlich seine größte Zeit. Unter dem Strich ist das hier ein Nostalgie-Werk mit modernen Spitzen, viel Mut zum Risiko und jeder Menge Raffinesse. Mascot Label/Rough Trade 45

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