MUSIK VON H IER Hagener Revoluzzerin AnnetteHumpesComebackglich einemPaukenschlag. Foto: Olaf Heine Als Frau hinterdem Mikrofon zu stehen und zu singen,ist nichts Untypisches.Hinterden Reglernzusitzen undMusikzuproduzierendafür schon. Annette Humpeist am 28. Oktober 70 Jahrejung geworden undbis heuteeine Koryphäe des deutschen Pops. Christopher Filipeckiblickt auf ihrLeben. 30 Die1950 geborene Hagenerin machte zunächst ihr Abitur in Herdecke und studiertesechs Semester an derMusikhochschuleKölnKlavierund Komposition.Alleindamitwar maninden 70er Jahrenschon auffällig. Letztendlichist aber West-Berlin derOrt derZeit, um sich in Bandsauszuprobieren undzuder parallel dortebenfalls gerade durchstartendenNinaHageneinen Fußindie Türzubekommen.Dortwohnt sieseit1974. Mitihrer gut fünf Jahre jüngerenSchwester Inga,die noch heute mitdem Duo 2raumwohnung auftritt,gründete sieeineder einflussreichstenregionalenNDW-Bands –die „Neonbabies“. Annettejedochverabschiedet sich bereitsnachkurzerZeitvon demProjekt undstartet mitihrer neuenGruppe „Ideal“ voll durch undübernimmt Teiledes Repertoiresder „Neonbabies“. Zunächst sind sienur Vorreiter,letztendlichaberPioniereder NeuenDeutschenWelle.Die Singles„Eiszeit, „BlaueAugen“, „Monotonie“und „Keine Heimat“werdenallezuHits, dieerstenbeiden derinsgesamt drei Alben erreichensogar Top-5-Platzierungeninden Albumchartsund erhalten Platinauszeichnungen. DesWeiterenhörtman Annette im Background bei mehreren Songsder Band „Trio“,u.a.bei „DaDaDa(Ichlieb‘ dich nicht, du liebst mich nicht)“, dasbis heutezuden bekanntesten underfolgreichstenTitelndes Genreszählt. Nachder Trennung NachdemsichIdeal 1983 trennen, probiert sich dieMusikerin erstmalig als Produzentin. Zu ihrenbekanntesten Arbeiten zählt „Codo“ vonDÖF,bei demabermals SchwesterIngaden Gesang übernimmt,und dasletzte Albumvon Palais Schaumburg.Anschließendfolgenunter demProjekt „Humpe &Humpe“erneutzweiLongplayermit ihrerSchwester unddie maßgebliche Beteilungandem Solodebüt vonRio Reiser,„RioI.“,das mit „König vonDeutschland“, „Alles Lüge“und „Junimond“ diewichtigsten TitelseinerKarrierebeinhaltet. Auch in den90erJahrenbringt siemit ihrem Können aufder anderenSeite derTonstudiosviele Künstlerauf dievorderstenRänge derCharts. So gehengleichmehrere Songsund Alben von UdoLindenberg, Nena, DiePrinzen, Joachim Witt undkurzweiligerProjekte wieLucilectric, Etwasund derBandohneNamen aufihr Konto. Beidem Song „Automatic Love“von KylieMinogue istsie Co-Komponisten.Seit 1992 istsie Mutter einesSohnes. Von1997bis 2002 pausiert Humpe. IhrComebackgleicht einemPaukenschlag.Zusammen mitAdelTawil gründetsie 2004 dasDuo „Ich +Ich“und schafftmit dendreiAlben,die die Formationinsechs Jahren hervorbringt,die erfolgreichste Produktionihrergesamten Karriere. Das zweite Album „Vom selben Stern“ verkauft sich über 1,3MillionenMal.Nur vonden Liveauftritten hält siesichwegenihresgroßenLampenfiebersseit2007fern. KeinesfallsanOriginalitätund Bedeutsamkeitverloren Zu ihrem60. Geburtstag im Jahr 2010 interpretierenviele Größen deraktuellenMusikszeneauf derKompilation „Zeitgeschichte“ ihre Klassiker– mitdabei Casper,The BossHoss undSelig,die zeigen,dassAnnettesWerk keinesfalls an Originalitätund Bedeutsamkeitverlorenhat.Indem vergangenenJahrzehnt arbeitetsie an zwei Songsvon AnnettLouisan undgemeinsamanAlben vonMax Raabe, derbehauptet, er könne ohne Humpe nichtmehrschreiben. Seit einpaarJahrenist es eher ruhigumsie.Privatinteressiertsie sich mehr für Literaturals fürdie vonRap überfrachteteSzene.Dennoch hat Annette Humpeinden vergangenenfünf Dekadenmehrfachfür einschlägige Musikgesorgt,die fast ausschließlich deutschsprachig funktioniert– auch dann,wenndie deutscheSprache eher einenverpönten Rufinne trug.Sie istGewinnerin der1LiveKrone undECHO-Preisträgerin für ihr Lebenswerk, bekamden Paul-Lincke-Ring, denDeutschen Musikautorenpreis, denAdolf-Grimme-Preisund denVerdienstordender Bundesrepublik Deutschland. Eine Frau mitWurzeln aus demRuhrgebiet undeiner außergewöhnlichenKarriere in einemmännerdominiertenBerufsfeld.
MUSIK VON H IER Botticelli Baby –Saft Manwerfe AnnenMayKantereit,Jazz undleichte Punk-Ansätzeineinen großen Topf,mischekräftig durchund erhalteBotticelli Baby ausEssen. DieBand, derenProberaum sich in derNäheeines Essener Restaurants befindet, dasnachdem berühmten italienischen Renaissancemaler benanntwurde,besteht bereitsseitachtJahrenund droppteMitte Februar ihrendritten Longplayermit demschmackofatzigen Namen„Saft“. Gleich vier Singles des12TracksumfassendenAlbumshaben schonihren Weg vorabzuden Zuhörern gefunden, darunter derverspielte „VagabondInA DandySuit“,der hervorragend treibt oder dasfastschon wieinSlowMotion wirkende,schwermutige„Yes“.Das Sextett, dasaus vielen talentierten Musikern besteht, bietet leicht laszive Lounge-Untermalungund sollte anspruchsvollenAlternative-Hörerngefallen. VÖ:12.2. U.D.O. –Live in Bulgaria DieAnzahlanAuftrittenwar 2020 für fast alle Künstlerweltweit mehr als nurüberschaubar.Umsoerstaunlicher,dassdie Heavy-Metal-Band U.D.O. rund um denfast70-jährigenUdo Dirkschneider aus Wuppertal in dem Jahr gareineLive-DVD/Blu-Ray und-CD aufgenommenhat –und dann noch in Bulgarien.„Live in Bulgaria 2020 –PandemicSurvivalShow“ ist genau das, wasder Titelverspricht: einüber140 MinutenlangerGig,der in einemantiken Theaterinder zweitgrößtenStadt desLandes, Plowdiw, mitgeschnitten wurde undfür denKulturerhaltsteht.2500Fanskamen im Septemberzum Konzertineiner Zeit,inder derartigeBesuchewie aus eineranderenWeltwirken.Der einzigeAuftrittder Gruppe in demJahrund dann gleich einsobesonderer. Sollte beiAnhängern derTruppeGänsehaut undFreudentränen auslösen. VÖ:19.3. LongDistanceCalling–Ghost Fürdie Vorabsingle„BlackShuck“haben Long DistanceCalling aus Münsterein Musikvideo gedreht, dass voneiner Londoner Firmaproduziert wurde.Weder Kosten noch Mühe gescheutalso. Das istindem düsteren Clip mitFilm Noir-Atmosphäre auch zu erkennen. Dertreibend-mystische Anheizer istder ersteHappen der33-minütigenEP„Ghost“ undsetzt aufinstrumentalen, aber melodischenPost-Rock.Das im Juni erschienene„How Do We Want To Live“enterte erstmaligdie Top10der deutschen Albumcharts.Die sechs Tracks auf„Ghost“ entstandennur fünf Monate danach in einerJam-Sessionund wurden liveeingespielt. Siegeben demnachden glaubwürdigstenSound derBandwieder, dernur möglich ist. Musik für dengrauenWinter-Epilog 2021. VÖ: 26.2. Great Escapes–Okay Mit30Minuten Längeist diezweiteLP„Okay“von GreatEscapes aus Münsterund Rheine zwar rechtkurzaufgefallen –dafür gehendie zehn Tracks aber allegut insOhr.Schon nachwenigen Momenten desZuhörens kommt dieStimmungeines leicht versifften Indie-Clubsder 2000erauf. FürFansvon Sum41, GreenDay,JimmyEat Worldund BillyTalentsollte dereineoderandereTrack desPostpunk-Trios dabeisein. Einfachmal in „Tyler“,„Are YouOkay“ oder „A DailyDeath“reinhören! Aufgenommenwurde diePlatteinIserlohn. DieBandist bereitsmit Genregrößenwie Adam AngstoderNothingtonaufgetreten undscheint durchs Tourleben ordentlich Inspiration mitgenommenzuhaben.EinehalbeStunde energetische Moshpit-Laune. VÖ:19.3. cf 31
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