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März 2021 - coolibri

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STRASSENKUNST

STRASSENKUNST Straßentheater 2.0 Sienennenesselbst „immersives Theater“. Theater, dasnichtnur durch den Beifall desPublikums lebt, sondern ohne Publikum gar nicht erstfunktionierenkann. Wallfahrer brauchen ihre Freiwilligen, die ihnen beiihrem Programmhelfenund mit ihnen gruselige, spannende, aufregende und verzauberteWege beschreiten. ChristopherFilipecki hatmit dem außergewöhnlichen Duoaus Witten gesprochen. Fotos (4): privat Damonund Torx sind dieProtagonistender Wallfahrer-Show.Inden aufwendigenKostümen stecken derHeilpädagogeNormanHesseund Sozialarbeiter Jens Esser, dieerstvor knapp dreiJahrendas Konzeptentwickelten. DenNamenhaben diebeiden ausgewählt, weil sieeinenalten,deutschen Schlagbegriffwollten,der im Kopf bleibt.Ansonsten darf derZuschauer entscheiden,was er darin sehenmag.Wandern?Spiritualität? FreieWahl! Wallfahrerist in erster Linieein in einerFantasiewelt stattfindendesTheaterstück, beidem dieZuschauer permanentmit eingebundenwerden. Gleichzeitig beinhaltetesvielschwarzen, sarkastischenHumor,kleineHorrormomente undZauberei.Obwohlder Schwerpunkt aufdas Theatergesetztwird, funktioniertdie unkonventionelle Idee auch außerhalb geschlossener Räume. DieJungs,die sich im MoviePark kennenlernten undschnell eine gemeinsame Ebene fanden, ziehen mitihrem gemieteten 3,5Tonner durch dasLandund baueninmühevollster Kleinstarbeitinfünfeinhalb Stundenihreganz eigeneBühne auf. Danach istnochgut 90 MinutenSchminken undUmziehenangesagt. Mitihrem ersten gemeinsamenProjekt,das in kurzer Zeit extrem gut ankam undviele Fans fand,haben Norman undJenseineNischefür sich entdeckt.„WasStraßentheaterangeht, ist einderartigerUmfanganTechnikungewöhnlich groß“, erklärtJens. DieBeiden stellensicheben nichtmit drei Jonglierbällen hin underzählen dazu einentoterzähltenKalauer.„Alleinmit einemWortzubeschreiben,welches Genre wir spielen,ist unmöglich“, ergänztNorman, da sowohl dasStorytellingals auch dieInszenierung im Vordergrundstehen. Das,was nach einerriesigenProduktionaussieht, istausschließlich durch diebeiden Ruhrgebietler entstanden.Normankümmert sich um Booking, Marketingund Technik, Jens um Storyline, Kostüm undRequisite. 16

STRASSENKUNST Jens &Norman sind dieJungs hinter „Wallfahrer“ Niemandanderes basteltmit,stattdessen werden zunächst unauffällige Materialien so bearbeitetbzw.gebaut, dass siewie aus eineranderen Zeit wirken undanschließendstilvollindie Show integriert. Dassbeide vorher noch nieinder Richtung wasgemacht,sichihreSkills selbst beigebracht haben undsichneben ihreneigentlichen Jobsinder Freizeit darumkümmern,überrascht. Beidesindsichsicher, dass sieihre Show auch nichtvergrößern könnten,ohnemindestenseinePersonanstellenzumüssen. EinangenehmerGratzwischen Zeug für Nerds unddem mainstreamigen Publikum.Jensbautpermanent Gimmicksaus derPopkultur ein, dieInsidererkennenkönnen.Auch Feuer, Elektrizität undWasserfindenihren Wegindie Trickkiste.Gleichzeitignutzen dieZweidie Faszinationfür Halloween bzw. Horror,umsichdaraus Elemente zu schnappen, diesie familientauglich einbauen können. DieZielgrupperichtet sich nämlich an jeden –angefangenbei denKleinsten,endend beiden Größten. Private Kindergeburtstageund Altenheime passen demnachgleichermaßen,abereben klassischals interaktives Zusammenkommen allerAnwesenden. „Alleredenimmer vonder Digitalisierung.Wir können aber sagen, dass es zurück zumAnalogengeht. DieMenschenwollenetwas Physisches sehen“,sagenbeideeinstimmig. Undgenau hier liegtaktuell derKnackpunkt.Regulär spielen Wallfahrer unterfreiemHimmel.Als derFrühling2020einkehrte, kamCorona, sodass dervolle Terminkalendermit allen großen Festivals,Gaukler-und Mittelaltermärkten undauch Grusellabyrinthebis aufeinen Auftritt gestrichen werden musste. Glücklicherweise werden fast alleVeranstaltungen einfach um einJahr verschobenund dieEinladungenbleiben bestehen.Dass siealleinschon dermaßen breitgefächert Beachtunggenießen, zeigt, dass eine einzelne Schubladeihnen nichtgenügt. Da sich dieShowStück für Stückstätig verändert undanProfessionalität gewinnt, können auch diejenigen, diedie Beiden bereitssehen durften, getrostein weiteres Malvorbeischauen undeinige Veränderungen finden. Obendreingibtesmit der Crowdfunding-Aktion„Patron desBösen“die Möglichkeit, Wallfahrerinder schweren Zeit zu unterstützen,exklusiveInhalte zu erfahrenund Teil der Fan-Community zu werden. In ihremBereich gehören Norman undJens, dieeszwischendrin auch mal wagen, vonihrer Leidenschaft lebenzukönnen, zu denJüngstenund gebendamitder old-schooligen Straßenkunst einenindividuellen undfrischenAnstrich. Gerade in Deutschlanddroht dieseUnterhaltungsform auszusterben. „Häufig werden beiStraßenfesten Künstleraus ganz Europa eingeflogen, weil hier Newcomer zu wenigunterstützt werden“, berichtetJens. Norman ergänzt:„Dabeibekommen wir regelmäßigvon Fachleutensehrgutes Feedback undman sagt,dasswir einAlleinstellungsmerkmalbesitzen“. Das sollte natürlichauch gefördert werden. LetztesJahrwären Norman undJensbei demKleinkunstfestival aufder InselUsedom aufgetreten,bei denensichdie Besten desGenresduellieren. Wenn dasdiesesJahr nachträglich klappt, wäre einSiegfür zwei junge Talenteaus demRuhrgebiet mehr alswünschenswert. Kostümemit Aufwand, Geschichten mitFantasien,ein Hauch Grusel... ...und Menschen aus demPublikum alsfesterBestandteil derShow 17

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