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März 2017 - coolibri Düsseldorf und Wuppertal

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I N T E R V I E W K e i

I N T E R V I E W K e i n e r w e i ß , w a n n d i e A b r e i s e i s t Hinter ironisch gebrochenen Werbe-Slogans erschaffen Bilderbuch eine große philosophische Mauer mit vielen versteckten Chiffren. Sänger Maurice Ernst inszeniert mit seiner Band eine schrille Blitzgewitter-Welt aus Beats, Sounds und Visionen. Er versucht mit kokettem Witz das Leben im Jahr 2017 zu entlarven. Im Interview mit Peter Hesse redet er über seine Motive und Beweggründe. Lieber Maurice, die globalisierte Welt steckt ideologisch in einer Sackgasse. Es gibt „Fake News“ und Einreiseverbote, der Wahnsinn überlagert immer mehr die Realität. Aber gehört die Illusion nicht viel eher in die Populär-Kultur als in die Politik? Absolut. Unser Albumtitel „Magic Life“ ist ein Spiel mit einer Idee: Was ist echt und was ist unecht? Wie wichtig ist unsere Meinung und wie wichtig ist das, was wir rezipieren. Mir war wichtig: Wie kann man das fassen was da gerade in der Welt passiert. Der Albumtitel hat mir da als Klammer sehr geholfen. Inwiefern? „Magic Life“ ist an anderer Stelle ein All-Inclusive-Club in Österreich, der so ähnlich wie die Robinson Clubs funktioniert. Das zeigt, wie wir an dieser Gesellschaft teilnehmen und wie wir uns damit fühlen. Wir sind in einen Scheinwelt-Club hineingeboren worden. Hier gibt es „All You Can Eat“ und alles für ein lebenswertes Leben ist immer verfügbar. Hinter den Mauern ist dann die „Real World“ – aber man weiß gar nicht was das sein soll. Man traut nur irgendwelchen Meinungen, die innerhalb dieses Clubs herumgeistern. Irgendwer plustert sich immer auf, aber die eigentliche Wahrheit gibt es nicht. Keiner weiß, wann die Abreise ist. Es sind viele Fehler im System, die unübersehbar sind, oder? Ich probiere, das mal anhand eines Textes zu erklären. Beim Titelsong schrieb ich: „Die Wellen gehen hoch im Grand Success Resort, ohne Stress, ja, ohne Stress“ – ob der Grand Success Resort jetzt Österreich, Deutschland, Europa oder die gesamte westliche Welt ist – irgendwas bringt dich zum innerlichen Zusammenzucken. Egal wie offen oder verschlossen man ist – oder welche politische Meinung man unter sich trägt: Das System zwingt dich in die Knie und jetzt geht es um die Reaktion. Wie geht dieser Plot weiter? Ein diffuses Gefühl taucht auf. Ich beschreibe es als „Die Wellen gehen hoch“ – denn man weiß nicht genau was passiert. Noch sind wir geschützt in unserer kleinen „Magic Life“-Welt, und wir füllen alles auf mit 8 „Außerdem liebe ich Adriano Celentano. Er kombiniert das Machohafte mit dem extremen Drama, sterben zu wollen.“ Prosecco, auch wenn das Auto schon längst gegen den Baum gefahren ist. Die ganz persönliche Tragik ist dann das Erwähnenswerte. Man stellt immer das eigentliche Private gegen das ganz Große. Und diese beiden Sachen, obwohl sie so weit auseinanderliegen, vergleicht man immer direkt. Am Ende singe ich dann „Wir Verbrecher gehen Hand in Hand“, das singe ich dann wie eine „positive Erkenntnis“. Man muss sich selbst reflektieren als „Verbrecher“, aber gleichzeitig auch irgendetwas machen. So habe ich probiert da einen Spin und eine Logik rein zu bekommen. „Die andere Seite“ von Alfred Kubin gehört zu deinen Lieblingsbüchern. Was liest du im Moment? „Fiesta“ von Ernest Hemingway, das ist ganz beruhigend. Es ist unglaublich gut geschrieben und entfaltet seine Kraft in der Ruhe. Als musikalisches Kontrastprogramm setzt ihr auf sehr minimale Klangstrukturen. Ist es schwer die Kompositionen so sparsam zu inszenieren? Das Album ist aus meiner Sicht sehr punkig und sehr jammig, obwohl es natürlich sehr digital ist. Ein „New Kind of Punk“ quasi, indem man die Gitarre einfach in den Computer hineinsteckt – es wabert sich so durch. Ihr habt einst als schrammelige Indie-Rock-Band begonnen, mittlerweile seid ihr viel eher im Umfeld von Rick James und Prince beheimatet. Stimmst du zu? Als Rockband sollte man sich immer eher mehr mit Bauch-Musik-Sachen beschäftigen. Bei uns ist auch ein bisschen Gospel drin, wie ich finde. Eine Musik, die sehr spirituell ist, weil sie viel mehr im Herzen passiert. Außerdem liebe ich Adriano Celentano. Er kombiniert das Machohafte mit dem extremen Drama, sterben zu wollen. Dieses Pathos ist so unfassbar gut. Ich finde, dass wir schon mit dem letzten Album „Schick Schock“ einen Bruch vollzogen haben – und uns mehr in Richtung Funk, R’n’B und HipHop geöffnet haben. „Magic Life“ ist jetzt noch mal ein bisschen freier geworden. Bilderbuch: 28.3. Palladium, Köln; palladium-koeln.de

I N T E R V I E W Foto: Elizaveta Porodina Bilderbuch „Bilderbuch sind unser großer Indie-Magnet für das Juicy Beats 2017“, sagt Festivalleiter Carsten Helmich. Letztes Jahr standen mit Wanda und AnnenMayKantereit zwei große Indie-Acts im Line-Up, die das Programm auf der Hauptbühne und auch das Publikum, das davor stand, prägten. „Dieses Jahr wollten wir insgesamt wieder zurück zum Juicy Beats, wie man es kennt – also zurück zu mehr Elektro und HipHop.“ Bilderbuch werden also der Eckpfeiler in Sachen Indie sein und zeichnen sich mit ihrer mutigen Genremischung, in die etliche Ideen aus den Bereichen HipHop und Elektro einfließen, als perfektes Match für das kunterbunte Juicy Beats Festival aus. „Bei uns soll man an jeder Bühne etwas Neues hören“, erklärt Helmich die Neigung zur Pluralität, die das Juicy Beats inszwischen überregional bekannt gemacht hat. Wer am Festivalwochenende Bilderbuch beim Juicy Beats Festival gerne mehr aus dem Topf trinken mag, in dem auch Bilderbuch ihre Bahnen ziehen, der wird sich über die Zusagen der Folktruppe Mighty Oaks, der Deutschpopper OK Kid und der Dauergäste Frittenbude freuen. Wer die heimlichen Indie-Juwelen aus dem Line-Up sucht, sollte in Richtung der Giant Rooks schauen. Die Art-Pop-Band aus Hamm gewann 2016 den popNRW-Preis als beste Newcomer. Carsten Helmich empfiehlt zudem die israelische Alternative-Pop-Kombo Her Majesty The Queen, die er von einem Showcase-Festival in Tel Aviv abgegriffen hat. Und einen feinen Tipp von coolibri gibt’s auch noch: Die Pins! Das sind vier Damen aus Manchester, die dreckig garagigen Rock mit mächtig Attitüde im Gepäck haben. lv Juicy Beats: 28.+29.7. Westfalenpark, Dortmund 9

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