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März 2016 - coolibri Ruhrgebiet

T H E A T E R O B E R H

T H E A T E R O B E R H A U S E N Pure Ekstase Laura Angelina Palacios als Lulu im Theater Oberhausen Foto: Birgit Hupfeld In dicken Lettern prangt die Aufschrift Fleischerei über der verdreckten Hinterhofszenerie, Blut tropft die Fensterfront hinunter. Davor ein Baum, auf dem ein nackter Frauenkörper liegt, einem Raubtier ähnlich, das auf Beute lauert (Bühne: Sven Van Kuijk). Das ist Lulu, die als Spiegel männlicher Begierden ihre Liebhaber reihenweise in den Wahnsinn treibt. Sie, die zuletzt zwar von Jack the Ripper abgeschlachtet wird, ist Opfer und Täter zugleich. Macht und Lust sind in dem Urstoff von Frank Wedekind verhängnisvoll miteinander verknüpft. Die Komposition von den Tiger Lillies dreht das Ganze durch den Fleischwolf. Heraus kommt „Lulu. Eine Mörderballade“ als bildgewaltiges, böses Horror-Musical, wie es an einem Stadttheater in dieser Konsequenz selten zu sehen ist. Die deutsche Erstaufführung des Regisseurs Stef Lernous, Theaterleiter der belgischen Gruppe Abattoir Fermé, wagt eine körperliche Grenzerfahrung. Im Zentrum steht natürlich die Titelfigur, die Laura Angelina Pacios beeindruckend gegenüber den schmierigen Nachtgestalten Shunning, Alwa, Dr. Goll, Schwartz und Shig behauptet. Von all diesen Männern misshandelt und gequält, erhebt die überwiegend nackt agierende Lulu sich wieder und wieder aus der Gosse – wie ein Phönix aus der Asche. Filmisch inszeniert, ironisch gebrochen Rauchend beruhigt sie sich mit einer Zigarette oder befreit sich in einem ekstatischen Tanz von den Angriffen der Peiniger. Diese bestäuben Lulus eingeölten Körper mit Goldglimmer, verschnüren ihn in einen Müllsack, stellen ihn gekreuzigt zur Schau. Starke, filmisch inszenierte Gewaltakte, die stellenweise ironisch gebrochen sind. Umrahmt werden die Leidensstationen vom kommentierenden (Sprech-)Gesang, perfekt durch die Band unter Leitung von Otto Beatus musikalisch befeuert. „For us this life is piss and shit, show your legs and show your tits“ schmettert das Ensemble zu Beginn. Überragend interpretiert Susanne Burkhard als Lulus Vater Shig die morbid-melancholischen Songs. Einzig Lulu schweigt bis zuletzt: Ihr Horrortrip endet mit einer zerbrechlich schön gesungenen Version von „My heart belongs to daddy“. Begeisterte Reaktionen aus dem Publikum für ein aufwühlendes Theaterereignis. Ariane Schön 5./12.3., Theater Oberhausen BOCHUM 11.3. Lampedusa von Anders Lustgarten (R: Olaf Kröck), Kammerspiele 40 Premieren im März CASTROP-RAUXEL 18.3. Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat nach W. Holzwarth (R: Meike Wiemann), WLT DORTMUND 5.3. Next to Normal von Tom Kitt, Brian Yorkey (R: Stefan Huber), Opernhaus 12.3. Watch me! Jugendclubproduktion (R: Sarah Jasinszczak, Thorsten Bihegue), Studio DUISBURG 5.3. Bin nebenan von Ingrid Lausund (R: Michael Steindl), Theater Duisburg ESSEN 19.3. Elektra von Richard Strauss (R: David Bösch), Aalto-Theater

T H E A T E R E S S E N Wilhelm Tell Jens Winterstein und Stefan Diekmann: „Die Kopien“ in der Essener Box Angriff der Klonkinder Ein Sohn hat seinen eigenen Klon getroffen und stellt seinen Vater zur Rede. Der windet sich und gibt den Ärzten die Schuld – aber das ist nur die halbe Wahrheit. „Die Kopien“ von Caryl Churchill, entstanden Jahre nach Klonschaf Dolly – doch vor der jüngsten Gesetzesänderung in England – gestaltet sich in der Essener Box als Theater der spärlichsten Mittel. Gut so. In Großbritannien dürfen sie jetzt also pränatal am Erbgut rumfudeln, mögliche Konsequenzen zeigt dieses Stück vorab. Was der Vater am ersten Sohn verbockt hat, will er an der Kopie wiedergutmachen, doch er macht die Rechnung ohne das Original. „Wenn das da drüben ich bin, wer bin dann ich?“ Und wie viele? Jens Winterstein (Vater) und Stefan Diekmann (Sohn 2, 1 und 3) sitzen am Tisch und reden, und sähe man nicht förmlich, wie der Vater in und an diesen Gesprächen altert, hätte man in der Box auch das Licht ausschalten können. Daniel Craig spielte 2002 die Rolle des Sohnes in der Londoner Uraufführung, Diekmann wechselt für seine drei Rollen nicht einmal das Sakko, legt mal Schwere, mal Zweifel, mal Leichtmut in die Stimme, das reicht. Quälende Sprechpausen deuten den Szenenwechsel an, dazwischen gibt der eine dem anderem kaum Zeit, einen Gedanken zu Ende zu führen. Schauspielerisch dürfte das hartes Brot sein, aber recht bald stellt sich ein Flow ein, dem der Zuschauer an den Lippen hängt. Sarah Mehlfeld inszeniert hier eher im Hörspiel-Modus, dazu passt auch die Länge von gerade einmal 60 Minuten. Wer stirbt, stirbt im Off, die Frage nach dem Wert von Leben und Tod einer Kopie aber schwebt über allem. „Ich mag blaue Socken ... Bananeneis“ schwadroniert eine Version, die das alles nicht anficht, doch dafür, dass sie auch das Leben im Großen und Ganzen mag, entschuldigt sie sich am Ende vielleicht doch nicht nur aus Höflichkeit. Wie es den 17 anderen Kopien geht, mag man sich danach selber ausmalen. Andreas Lammers 11./23.3. Box, Theater Essen Foto: Diana Küster Schauspiel von Friedrich Schiller ab 13 Jahren im KJT Dortmund, Sckellstraße 5 - 7 44141 Dortmund Termine: 1., 3., 4., 6., 8., 9., 11. März 2016 0231 / 50 27 222 www.theaterdo.de Düsseldorfer >>> Sa., 9. April 2016 GELSENKIRCHEN 5.3. Norma von Vincenzo Bellini (R: Elisabeth Stöppler), MiR HAGEN 4.3. Ein Helm von Finn-Ole Heinrich (R: Werner Hahn), Lutz 5.3. Eugen Onegin von Peter Tschaikowski (R: Holger Potocki), Theater Hagen 13.3. Projekt Hagen von Lutz Hübner und Sarah Nemitz (R: Werner Hahn), Lutz MÜLHEIM 18.3. Die Glasmenagerie von Tennessee Williams (R: Simone Thoma), Theater an der Ruhr 35 MuSeen und GAlerien Von 19 uHr biS 2 uHr* liVe-bAndS, leSunGen, PerforMAnceS, dJs, SHuTTle-buSSe, füHrunGen … www.nacht-der-museen.de / Hotline: 0211 89 99 555 Ticket: 14 ** / d:ticket-Hotline: 0180 5 644 332 (0,14 /Min.) * je nach Museum versch. Schlusszeiten ** VVK & Abendkasse; VVK in Museen und an VVK-Stellen 41

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