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März 2016 - coolibri Ruhrgebiet

M U S I K V O N H I E R

M U S I K V O N H I E R Toby Turnell hat sich für sein erstes Album so viele internationale Musiker-Kollegen zu Hilfe geholt, dass es für eine komplette Band reichte. Wenn man den Gelsenkirchener selbst fragt, ist „Journey“ geprägt von Achtzigerjahre-Hairrock, Country und leichtgängigem Pop. Diese Effekte findet man beim Hören durchaus wieder. Sie kommen nicht nur durch die gekonnte Instrumentierung, sondern auch durch die genresicheren Stimmen zustande – vor allem auf der Frauenseite echte Hinhörer! facebook.com/tobyturrellmusic Rekk Frisch vom Elbstrand Rekk aus Waltrop sind der Indie-Szene an der Ruhr längst ein Begriff. Der Musikförderpreis der Stadt Dortmund ermöglichte ihnen die professionelle Produktion ihres Debüt-Albums „Sixtytwo“. Das präsentiert feinsten Indiefolk, der dem Kitsch gekonnt ausweich, hier und da sogar tanzbar ist. Inga Pöting sprach mit Sänger Matti Kaiser. Foto: Tim Ilskens Angesichts der aktuellen EP „Trailer Park“ von Lynx Lynx überschlagen sich die Musikmagazine vor Begeisterung. Tatsächlich gelingt es den Dortmundern, eine fette Portion zerrigen Retro-Garagenrock-Sound mit frischen Melodien und Lyrics aufzumotzen, ohne beliebig zu werden. Die vier Eigenkompositionen und die Coverversion von Buddy Hollys „Not Fade Away“ gehen mit Karacho nach vorne und lassen blutende, aber glückliche Ohren zurück. lynxlynx.org Die Stimmung des Albums liegt irgendwo zwischen melancholisch und hoffnungsvoll, ist aber schwer zu fassen. Was meinst du? Bei melancholisch und hoffnungsvoll würde ich zustimmen. Happy ist das Album aber auch. Ich halte mich mit Kommentaren gerne zurück, denn wenn man eine Platte fertigstellt, lässt man los, gibt sie frei zur Interpretation. Oft merke ich aber, dass die Leute das Album genau so verstehen, wie es gedacht ist – das ist dann cool. Wenn es nicht passt, ist es aber auch gut. Solange die Leute beim Hören etwas empfinden, bin ich froh. Warum der Titel „Sixtytwo“? „Wenn man eine Als ich in Hamburg gewohnt habe, bin Platte fertigstellt, ich oft mit der Fährlinie 62 gefahren, gibt man sie frei zur die fährt die Elbe runter bis zum Elbstrand. Das war mein Entspannungs- Interpretation.“ ort, wo ein Großteil der Songs entstanden ist. Da hast du das Gefühl, du bist am Meer. Deshalb hat die 62 das Album gut zusammengefasst. Wenn jemand sagt: „Ihr klingt ja wie Ben Howard!“ – wie reagierst du? Für mich ist das ein Kompliment, denn ich bin großer Fan von Ben Howard. Was auf unserem Album passiert, ist keine Neuerfindung von Musik. Es gibt gerade nicht Neues zu erfinden. Da ist es ein großes Lob, mit jemandem verglichen zu werden, der qualitativ sehr gut ist. Im Ruhrgebiet kennt euch die Szene inzwischen. Was plant ihr jetzt? Wir hatten eine Phase, wo wir dachten, das Album muss unbedingt so richtig erfolgreich werden – das hat sich aber inzwischen entspannt. Mit Stargazer Records haben wir ein supernettes Label gefunden, was menschlich und von der Arbeitsweise her ein unfassbarer Zugewinn ist. Jetzt hat erst mal unsere Deutschlandtour Priorität. Wenn wir es schaffen, das Album wieder reinzuspielen, sind wir glücklich! 12.3. Sissikingkong, Dortmund (Releasekonzert); 16.3. Subway, Köln facebook.com/soundrekk Foto: Mathias Brinkmeyer Beim Deutschen Rock-&-Pop-Preis in Siegen hat die Connemara Stone Company aus Essen 2015 den ersten Preis abgeräumt – und zwar mit ihrer aktuellen Platte „Back Home“ in der Kategorie „Bestes Folk Rock Album“. Neben den klassischen Band-Instrumenten nehmen die sechs Herren, die auch gerne mal im Kilt auftreten, Tin Whistle, Low Whistle und Querflöte mit auf die Bühne. Und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Irland, Holland, Italien und der Schweiz. connemara-stone.com Die Electro-Wave-Rocker von NRT aus Bochum und Hannover legen ihre zweite Platte vor: „Ambition“. Das Album erscheint als Vinyl mit beiligender CD und präsentiert auf der ersten Seite vier neue Stücke der Band, während die B-Seite Remixe alter Songs enthält – neu arrangiert und eingespielt von befreundeten Bands wie No More und Wellencocktail. Sämtliche Tracks sind gekonnt instrumentiert und schön fett abgemischt; so entstehen Spannung und Druck statt steriler Achtzigerjahre-Sound. nrt-music.de Das AKAFÖ der Uni Bochum sucht den Campus RuhrComer 2016: Studentische Newcomer-Bands aller Musikrichtungen können sich noch bis zum 22. April für den Contest bewerben. Teilnahmebedingungen: Zwei Bandmitglieder müssen an einer Hochschule im Ruhrgebiet studieren und das Durchschnittsalter der Band darf nicht über 28 Jahren liegen. Die Vorrunden werden im Mai und Juni ausgetragen, das Finale steigt im Juli bei Bochum Total. campus-ruhrcomer.de

A L B E N I G G Y P O P B O B M O U L D U N D E R W O R L D Post Pop Depression Im Jahr 1967 ist Iggy Pop mit den Stooges gestartet und sagt rückblickend: „Wir waren wie eine Gang aus utopischen Kommunisten und wollten radikal anders sein: ein freakiger Gegenentwurf zur Parallelwelt.“ Seine kreative Hochphase als Mainstream-Rocker erlebte er, als er mit David Bowie in Berlin hauste und dort kurz hintereinander die Meisterwerke „Lust for Life“ und „The Idiot“ aufnahm. An diese Phase knüpft das Album „Post Pop Depression“ mit dem Song „German Days“ nahtlos an. Es wurde zusammen mit Matt Helders von den Arctic Monkeys, sowie mit Josh Homme und Dean Fertita von Queens Of The Stone Age aufgenommen und strahlt aus jeder Pore. Caroline/Universal Patch the Sky Kürzlich tobten die sozialen Medien, als sich eine News in Nullkommanix verbreitete: Die USamerikanische Alternative/Punk-Band Hüsker Dü, das alte Riff-Schlachtschiff von Bob Mould, mit denen er per Halbmast durch die 1980er- Jahre segelte, wollten noch einmal ein Comeback probieren? Nun, es war leider nur ein hartnäckiges Gerücht. Bob, der (Gitarren-)Baumeister, hat aber immer noch ein Bedürfnis, das Feld zwischen drahtigem Indie-Rock, Prä-Grunge, Noise-Pop und Punk-Anleihen in großer Meisterschaft neu zu errichten. „Patch the Sky“ ist eine feine Platte für die Silver-Ager-Fraktion, die in ihrer Kellerbar noch einen sst-Aufkleber kleben haben. Merge Records/Cargo Barbara Barbara... Zugegeben, ihr Über-Hit „Born Slippy“ ist 21 Jahre alt, ihr letztes Album erschien 2010 und das Elektro-Genre wirkt aktuell zu oft wie ein Dschungelcamp: Früher waren sie Stars, heute gibt es nur noch Madenfraß. Rick Smith und Karl Hyde machen es aber besser als zuletzt Thorsten Legat und Sophia Wollersheim im TV. Vom himmlischen Sound-Rundumschlag „Low Burn“ über das marschierende Wolfsgeheul in „If Rah“ bis hin zu der stampfenden Westbam-Maschine „I Exhale“ trägt diese musikalische Zweierbeziehung viele Sterne mit nach Hause. Underworld haben ihre raffinierten Visionen für dieses neunte Studioalbum vorankommend und retrospektiv offengelegt. Caroline/Universal A M O N A M A R T H J O C H E N D I S T E L M E Y E R T I G A JOMSVIKING Die Menschheit könnte so viel aus dem Mittelalter lernen, tut sie aber nicht. Denn schon damals ist das System mit „Herren“ und „Knechten“ kläglich gescheitert. In der Jetztzeit ist es noch schlimmer: Aktuell gibt es 1826 Milliardäre auf der Welt und 800 Millionen Menschen, die von Armut und Hunger betroffen sind. Mit einer imposanten Death-Metal-Expertise warten Amon Amarth auf. Auf ihrem zehnten Studioalbum sezieren sie die Geschichte von Liebe und Rache im Kreise der Wikinger: Der Söldnerbund der neo-christlichen Jomswikinger steht hier im Fokus. Dieser Stamm wird brutal, schnell und laut zelebriert. Columbia/Sony Songs from the... Wenn Olli Schulz der Mike Krüger der Hamburger Schule ist, so ist Jochen Distelmeyer das Kraftwerk dieses Genres. Mit klugen Gedanken und Texten hat er seine ehemalige Band Blumfeld in die Champions League des deutschen Pop geführt. Olli Schulz nölt gerade rum, dass Distelmeyer sich mit diesem Cover-Album verhoben hätte. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wie Jochen aus dem banalem „I could be the One“ von Avicii plötzlich eine traumhaft schöne Ballade formt – das ist einfach nur très formidable! Die zwölf Interpretationen auf „Songs from the Button Vol. 1“ sind sensibel arrangiert und toll umgesetzt. Four Music/Sony No Fantasy required „Sunglasses at Night“ war bisher der größte Hit von Tiga. Diesmal bringen seine Beats jede Phase zum Wabern. Hier ist alles feine Sahne, nur ohne Fischfilet. Früher war das anders. Schlaue Menschen lieferten sich auf dem Dancefloor elegante Pfauentänze. Die Welt unter der Discokugel teilt sich heute in Schwarz und Weiß: Dort der Eckensteher, da die verpeilte Diddlmaus. Für elegante Grautöne im Lebenssalat fehlt die Geduld. Tiga weiß das auch. Seine Beats brüllen, statt zu flüstern. Trotzdem füllt er seine Soundkulissen nicht mit Häme. Nein, er zaubert Leben in die Disco. Ninja Tune/Rough Trade Peter Hesse 31

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