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Juli 2021 - coolibri

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K U N S T Eintauchen ins

K U N S T Eintauchen ins digitale Strangeland Stefan Panhans, „HOSTEL–Installation Version“,2018. In derAusstellung „StefanPanhans / Andrea Winkler–ThePow(d)erofIAm KlickKlick Klick Klick andaveryverybad badmusical!“ Foto: Jannis Wiebusch Dererste Teil desAusstellungstitels wieauch dermarkante Umgang mit Sprache in einigenArbeitenverweistauf dieRhetorik US-amerikanischer evangelikal-protestantischer Megachurches, in denen–als christlicheLebenshilfegetarnt –einemarktkonforme, neoliberaleIdeologieindividuellerSelbstoptimierung gepredigtwird. Einerihrer größtenStars istJoelOsteen, dermit seinen PredigtenMillionen Menschenerreicht undmit „The PowerofIAM“ sein ‚Wohlstandsevangelium‘ zum Bestseller gemachthat. Doch,wie Inke Arns,Direktorin desHMKV, in demAusstellungsmagazin schreibt:„Vonder Kraftdes Ichs zumStaub desEgosist es nurein kleiner Schritt;powerund powder trennt nurein kleinerBuchstabe.“ Dieser Bezugwirdauch dann deutlich,wenndie Protagonisteninden Videoarbeitenineinen fast zwanghaftenRedeschwall verfallen undein collagiertesSprachgebilde formen.Das erinnertanjenes entrückte‚Zungenreden‘,indas Kirchenmitglieder während einescharismatischen Gottesdienstes verfallenkönnen.In„Defender“treffen drei Frauen in einerTiefgarage aufeinen S.U.V.,der miteiner Art‚Erlkönig10-Camouflage‘ versehenist.Ein „Erlkönig“ isthiereineVerhüllung. Es handelt sich um eine Methodeder Autoindustrie, ihre neuenPrototypenauf derStraßezutesten, ohne Design-Detailspreiszugeben. Ohne zu wissen,was siedortsollen, undobdas Auto nunihr neuesZuhauseoderHomeOfficeist,entwickelt sich zwischen ihnenein atemloserTrilog mitGesangseinlagen,die aus modifiziertemverinnerlichtemSelbst-Coaching, Versatzstückenaus S.U.V.-Werbeclips, Predigtenvon amerikanischen ‚Mega-Church‘-Priestern sowie kurzen Burn-Out-Symptomen bestehen. Eine marktkonformeSelbstoptimierungdurchdringt nichtnur evangelikal-protestantischeMegachurches, sondernist in einerdigitalen Welt zum 34 DerHMKVzeigt bisSeptember dieAusstellung „StefanPanhans /AndreaWinkler –The Pow(d)er of IAmKlick Klick Klick Klick and averyverybad badmusical“. MitsechsVideoinstallationenund verschiedenenskulpturalen undfotografischenArbeiten zeichnendie Künstler:innen ein beeindruckendes, aberdurchauskritischesPorträt einervon Technologiedurchzogenen und durch Technologie beschleunigten, globalisiertenWelt. alltäglichen Kredogeworden,als wäre derKörperein ewig update-fähiges Gerät unddas Lebeneinestets beliebig optimierbare Videospielnarrationstetsauf derSuchenachmehrKlicksund Likes. Angedeutetwirddas beispielsweise in „Hostel“, einervierteilige Mini-Serie, dieein CrossOverzwischenfiktiver Doku-Soapund Gameshow in einemausgebuchtenund vollgepacktenHostelzimmerdarstellt. DerSchauplatzist einmit kargen DoppelstockbettenausgestattetesHostelzimmer,das diverseSelbstoptimierungsutensilien enthält, wiezum Beispiel Gymnastikbälle,Yogamatten, Stepperund Kletterseile.Indiesem Setting,das über denFlatscreenindie Installationhineinreicht,liefern sich fünf prekär undflexibilisiert reisende Kulturarbeiter:innen unterschiedlicher Herkunft,ApplesSirisowie mehrere Computerspielavatare einen‚Spoken Word Battle‘ihrerErfahrungen undTräume. Diesesindverwobenmit Floskeln aus WerbeE-Mails undPassagenaus Literatur, Theorie undPopkultur.Neben diesen kurz vorgestelltenVideoinstallationen, sind noch vier weiterezusehen,die sich alleüberObjekte im Raum,die auch in denVideoseineRolle spielen, in denAusstellungsraumausbreitenund ins Bild hineinziehensollen. DieMessageist klar:„Du steckstda mitdrin“. DieskulpturalenArbeiten undFotografien stellenebenfalls einBindeglied darund machendie Ausstellungsräumezueinem umfassendenErfahrungsraum, derdem digitalenAlltagund demDiktat desSiliconValley denZerrspiegelvorhält. sr Stefan Panhans/Andrea Winkler–The Pow(d)er of IAmKlick KlickKlick Klick andaveryverybad bad musical!: bis5.September 2021,HMKV im DortmunderU;hmkv.de

K U N S T Stoffwechsel Als Kommunikationsmittel werden Textilien oftunterschätzt. Dabei haben stoffliche Gewebe in unserer digital vernetzten Welt noch immer einenhohen Stellenwert: Siestiften Identitätund soziale Gemeinschaft, kommen aberauchbei Protesten zum Einsatz. Eine Schau im DüsseldorferKai 10 thematisiert diegesellschaftliche und politische Bedeutung von Textilkunstinder Gegenwart. Juan PérezAgirregoikoa: Proyecto convertido en instalación,2007, Courtey theartist, Ausstellungsansicht Guggenheim Bilbao,2007 Foto: Guggenheim Museum Bil „Textilien sind weit mehr als zweckdienlichesAlltagszeugoderdie stummenBegleiter unseresLebens“,sagtJulia Höner,KünstlerischeDirektorin desprivatenMuseums Kai10/Arthena Foundation. In derinternationalen Gruppenausstellung„Active Threads“,zudeutsch „aktiveoderagileFäden“, erkundenachtKünstler:innen diegesellschaftspolitische Bedeutung desTextilen. AufwelcheWeise transportieren Stoffe Botschaften, wie wandelt sich DekorzuaufgeladenerSymbolik? Über 40 Werke, darunter Webarbeiten, Stoffbanner,Gouachen, Handgesticktes undRauminstallationen, laden noch biszum 5. Septemberdazu ein, sich mitaktuellen sozialen undkulturellen Prozessenauseinanderzusetzen. Stoffliche Gebildegehören zu denältestenArtefakten derMenschheitund sind in jedemWinkelder Erde präsent. Siedemonstrieren kulturelleZugehörigkeit undsoziale Verbundenheit; alsKleidungsindsie unsere „zweite Haut“ undmarkierengesellschaftlichePositionenoderdie Identifikation mitbestimmten Gruppen. „ActiveThreads“ hingegen legt denFocus auf dasweniger Offenkundige–dievielfachverkannte Dimension vonTextilien als Kommunikationsmedien, wiesie etwa beiProtesten gegenautoritäre Systemeodertradierte Gesellschaftsbilder zumEinsatz kommen. Mitdem sozialen Aspekt vonTextilien beschäftigtsichJuanPérezAgirregoikoa,der spöttischdas politische Protestbanner auslotet. Fürsein„Proyecto convertido en instalación“ hatder spanischeKünstler einen16Meter langen Maschendrahtzaun mitStoffbannernbespannt, die mitgrellen Farben undprovokanten Slogansaufwarten: „Verachtedie Welt“, „Verweigeredie Arbeit“, „Vergiss deineEltern“.Seine Kritikhinterfragtauch denProstestansich, dernicht selten nurAusdruck diffuser Wutist,politisch aber ohne Konsequenzen bleibt. Inspiriertvom Friedenscamp Greenham Common in Südengland sind die Arbeitenvon Ellen Lesperance. Von1981bis 200protestierten dortFrauen gegendie Stationierungvon CruiseMissilesinEuropa. Zugleich richtete sich ihr Widerstand gegendas überkommeneBildvon Weiblichkeit,wonach PolitikalleinSache derMänner ist. In ihrenGouache-Malereien nimmt LesperanceBezug aufdie Kleidungsstücke derFrauen, mitdenen dieseihrer Rebellion Ausdruck verliehen. Als typische Frauensachegaltlange Zeit auch dieHerstellungvon Textilien.Nähen,Sticken,Stricken,Knüpfen,Weben –bis heute haben Handarbeiten nichtdas besteImage.Auch dagegenkämpfen dieKünstler:innen an.Für Hana Mileticist daszeitaufwendige, entschleunigende Webenvon Hand vergleichbar mit„Care Work“, Sorge- oder Pflegearbeit–eine essenzielle Tätigkeit, dieaberunseren gängigen Vorstellungen vonLeistungund Produktivität widerspricht.Kader Attiauntersuchtdie konträrenKulturen desReparierenstextilerStoffe: Währendman im Westen versucht, möglichst unauffälligden Originalzustandzurekonstruieren,wirdinvielenafrikanischen Länderndie ausgebesserte Stelle gezieltbetont: Ähnlich wieNarben aufder Haut bleibt das sichtbare Flickwerkals Erinnerung.Die gestickten Wundmale seiner Serie „Mirrors“ verweisenauf dieBrüche zwischen denKulturräumenund das postkoloniale Erbe, welchesphysisch nichtmehrexistiert, aber permanent Schmerzenverursacht. bk Active Threads: bis5.9., Kai10, Düsseldorf, kaistrasse10.de 35

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