20 | Im Gespräch Wahl-Berliner Marc Weide tritt dieses Jahr mit seinem neuen Programm „Augenweide“ über 20-Mal in NRW auf. Foto: Fotoagentur Wolf AUS DEM KINDERZIMMER AUF DIE BÜHNE MARC WEIDE, geboren in Wuppertal, ist 2018 Weltmeister der Zauberkunst geworden. Christopher Filipecki sprach mit ihm über seine aktuelle Show „Augenweide“. Marc, seit September läuft dein aktuelles Programm „Augenweide“. Hast du seitdem schon etwas verändert? Ja, zuletzt vor zehn Minuten. Ich bin sehr selbstkritisch. Ich spreche mit meinem Tourleiter und frage, was ihm gefallen hat und was nicht. Ich frage beim Autogrammeschreiben nach der Show, welches Highlight die Gäste hatten, weil man das selbst nicht gut einschätzen kann. Danach gehe ich ins Hotel und schaue mir den Ablauf an, um zu gucken, was ich wie verändern kann oder gar rausschmeiße. Wer Anfang September da war und nun wiederkommt, würde fast eine komplett neue Show sehen, weil es so viel Bastelei ist. Woran machst du eine gute oder mittelmäßige Show fest? Wie merkst du das genau? Ich merke in den ersten drei Minuten, wie der Abend wird. Ich mache ein paar Opening-Gags, stelle mich vor und merke, bei welchen die Leute lachen, bei welchen nicht. Ich sehe dann, wie steif oder locker das Publikum ist. Kommt natürlich auch darauf an, ob es eher ältere Menschen sind oder Studenten oder Kinder. Ich habe zwar kein konkretes Studenten-Set, aber ich bin mir dann zumindest bewusst, wer vor mir sitzt. Wie kreierst du überhaupt ein neues Programm? Sänger:innen schreiben Songs, Comedians Gags – und du? Man braucht viel Inspiration und viele Eindrücke, um Eigenes zu kreieren. Mein Ziel ist es wirklich, etwas Kreatives zu machen, etwas, was nicht jeder kennt. Ich möchte Tricks bauen und entwickeln, die die Leute dazu bringen, dass sie erstaunt aus dem Theater gehen. Deswegen gu- cke ich, was mich positiv wie negativ bewegt, um dann Emotionen reinfließen lassen zu können. Zwei Tricks in der neuen Show drehen sich nur um meine Tochter, weil das etwas ist, was mich von morgens bis abends beschäftigt. Bauklötze und Malbücher. Ich merke dabei dann, dass Kinderspielzeug ein schönes Material zum Zaubern ist, aus dem man was herausholen kann. Adaptiert man ansonsten eher von anderen oder bastelst und baust du wirklich selbst? Ich versuche, so viel ich kann, selbst zu bauen. Natürlich mithilfe von Schreinern und anderen, die mechanisch davon Ahnung haben. Ich kann ja kein Metall schweißen. Manchmal gibt es eine oder zwei Nummern, die Klassiker sind, aber in einem neuen Gewand daherkommen. Aktuell zum Beispiel das Seil, das in Teile geschnitten und dann wieder zu einem wird. Ich sage vorab auch, dass ein Klassiker kommt, erzähle dabei aber die Geschichte, wie ich die Nabelschnur meiner Tochter durchgeschnitten habe. Wie oft kommt die Frage, ob du mal kurz was vorzaubern kannst? Oft. Ich bin froh, wenn sie mal nicht kommt. Ich bin ja auch mehr als nur das, ich bin auch ein Mensch dahinter, den man kennenlernen kann. Wenn aber Leute wissen, dass ich zaubere, kommt immer „Hier ist eine Tasse, lass die doch mal verschwinden!“. Ja, das passiert wirklich. Auch beim Einkaufen, wenn ich erkannt werde und gerade eine Packung Nudeln in der Hand halte, kommt die Bitte, ich soll mal kurz was machen. (lacht) 2018 bist du in der Kategorie „Parlour Magic“ Weltmeister geworden. Was verbirgt sich dahinter? Im Deutschen sagt man „Salonzauberei“, es beschreibt also eine Größenordnung. Hier geht es um 500 Leute im Theater-Setting. Man wird entweder Weltmeister in Tischzauberei oder es gibt meine Salonsparte und zuletzt die Großillusion. Hast du explizit auf den Titel hingearbeitet oder hast du einfach geguckt, was passiert? Ich hätte niemals gedacht, dass das klappt. Ich, als kleiner Junge aus Gevelsberg, hatte die Chance nach Südkorea zu fliegen, was einfach der Wahnsinn war. Ich habe mich durch die deutschen Meisterschaften qualifiziert und hatte dann die Möglichkeit, hinzufliegen und mein Land zu vertreten. Der gesamte Act war auf Englisch, dazu habe ich noch ein bisschen die Landessprache gelernt, weil wahrscheinlich nicht jeder Englisch kann. Ich war wirklich noch nie so nervös wie dort. Du bist seit einigen Jahren Papa. Wieviel Inspiration steckt in deinem Zweitjob als Vater? Das hört gar nicht auf. Ich bekomme dadurch jeden Tag neue Ideen. Da es mein erstes Kind ist, konnte ich vorab gar nicht erfahren, was es mir wohl gibt. So können aus witzigen und genervten Situationen oder wenn meine Kartenspiele von meiner Tochter zerrissen werden, schöne Dinge entstehen. Ich nehme also einfach zerrissene Karten mit auf die Bühne und zeige, was meine Tochter zuhause gemacht hat. Das spielerische Element von Kindern ist dann mit in der Zauberkunst. Es gibt mir also total viel, ja. Diverse NRW-Termine auf marc-weide.de, Facebook: marcweide.zauberer, Instagram: marc.weide, TikTok: marc.weide
Im Gespräch | 21 „ICH BIN EIN FAULER PERFEKTIONIST“ SIMON STÄBLEIN war einer der ersten offen queeren Comedians Deutschlands. Nun folgt bereits sein drittes großes Soloprogramm. Christopher Filipecki hat ihn interviewt. Simon, dein neues Programm „Ich schmeiß mich weg“ startet jetzt. Wie bist du gerade aufgelegt? Die Phase kurz vorher ist immer nervenaufreibend, weil das fertige Programm in der Form noch nie auf der Bühne gespielt wurde. Ich frage mich ständig, ob es gut wird, ob ich genug Material habe, weil man das irgendwann gar nicht mehr richtig einschätzen kann. Ich habe leider zwei Charaktereigenschaften, die nicht gut zusammen passen, ich bin nämlich ein fauler Perfektionist. Eigentlich will ich, dass es perfekt ist, scheue mich jedoch gleichzeitig vor der harten Arbeit. In welche Richtung geht „Ich schmeiß mich weg“? Der Titel selbst verrät es noch nicht. Die Metaebene dahinter ist, dass das letzte Jahr sehr aufreibend war. Mein Mann und ich sind umgezogen, wir haben eine Wohnung saniert, es gab Probleme und Baustellen. Meine berufliche Zukunft ist auch etwas ins Stocken geraten. Da gibt es dann Tage für mich, an denen ich mich gern mit zum Müll legen würde, damit ich abgeholt werde. Und darum geht’s, also dass ich mich selbst auf den Müll schmeiße. Gute Comedy entsteht immer aus den schweren Momenten im Leben. Ich rede darüber, wie das Ganze die Beziehung zu meinem Mann verändert hat. Wenn man das gut verpackt, wird es ziemlich lustig und dann schmeißen sich andere wiederum vor Lachen weg. Werden Alltagsmomente, die passieren, sofort aufgeschrieben oder speicherst du sie ab und holst sie später wieder hervor? Nee, das musst du wirklich sofort aufschreiben. Das sind manchmal ganz kleine Beobachtungen, die ich witzig finde, sowas wie „Sprinter fahren auf der Autobahn immer viel zu schnell“. Das finde ich dann einfach nur interessant. Beim Zusammensetzen des Programms habe ich bestimmt 100 solcher Notizen, die zusammen gepuzzelt werden. Wie lange dauert dann der gesamte Prozess? Kannst du das einschätzen? Wie viel verwirfst du wieder? Um es an meinem letzten Programm festzumachen, kann ich sagen, dass es bei der Premiere mit 90 Minuten losging, am Ende es aber bis zu 140 Minuten waren und 40 Prozent vom Anfang nicht mehr existierte. Man sagt immer, dass das Programm bei der Dernière fertig ist, also bei der letzten Vorstellung. Zwischen den Vorstellungen läuft mein Leben ja weiter und es passiert ständig was, was ich gerne frisch erzählen möchte und was dann auch ins Programm kommt. Wie schwierig findest du es generell ein Programm zusammenzubasteln, ohne jemanden zu nahe zu treten? Machst du dir Gedanken über Shitstorms, die passieren könnten? Nicht mehr. Ich schreibe mein Programm aus einer Haltung heraus, dass ich niemanden bewusst diskriminieren oder diskreditieren möchte. Deswegen mache ich mir da eigentlich nichts draus. Ich werte das alte Programm über Social-Media- Foto: Guido Schröder Mit seinem dritten Soloprogramm „Ich schmeiß mich weg!“ ist Simon Stäblein ab März auf Tour. Feedback aus, es gibt aber wirklich bei allem immer jemanden, der in jeder Äußerung etwas Negatives erkennt. Wer sich aufregen möchte, findet auch Gründe. Ich kann Leuten nicht helfen, wenn sie Pointen und Ironie nicht verstehen. Dann dürfen die anderen sich zwar gern darüber aufregen, aber es ist einfach mein Job, Pointen und Ironie zu präsentieren und manchen auf den Schlips zu treten. Ich halte mich selbst für einen guten Menschen und habe gegen niemanden einen riesigen Groll, das sollte eigentlich als kritisches Augenmerk meinerseits genügen. Seit Anfang an hast du queere Themen in deinem Programm und präsentierst dich als offen schwuler Mann. Hat dir das auch mal Steine in den Weg gelegt? Ablehnung habe ich damit nie erlebt. Ganz am Anfang war es eher für mich eine Herausforderung und schon ein Prozess, darüber auf der Bühne zu sprechen. Deswegen habe ich im ersten Programm über Homophobie und Outing als explizite Themen gesprochen. Zuletzt war es eher beiläufig. Ich erzähle eben keine Geschichten von mir und meiner Frau, sondern von mir und meinem Mann. Mehr passiert dazu eigentlich nicht. Ich mache keinen direkten Themenblock auf. Manche horchen dann vielleicht kurz auf, danach geht es aber mit etwas Lustigem direkt weiter, sodass keine Zeit zum Nachdenken bleibt. Man merkt aber, dass sich da in den letzten Jahren viel getan hat. Als ich angefangen habe, Comedy zu machen, hat man auf Social-Media kaum Comedians gefunden, die darüber offen sprechen. Podcasts hast du auch schon einige gemacht. Welche Vorteile haben die für dich im Vergleich zur Soloshow? Du hast einen Gesprächspartner oder eine -partnerin, mit denen du dich viel besser hochschaukeln kannst. Gerade, wenn etwas humoristisch funktioniert. Das ist dann wie eine Spirale. Es gibt dadurch auch mehr Kontroversen, wenn es verschiedene Meinungen gibt. Im Stand-Up gibt es nur meine und keine richtige Diskussionsgrundlage. Aktuell plane ich mit einer guten Freundin einen Podcast für 2024, das könnte sehr lustig werden, da ich niemanden kenne, die einen so kongruenten Humor zu meinem hat. Diverse NRW-Termine auf simonstaeblein.de, Facebook: simonstaeb, Instagram: simonstaeblein, TikTok: simonstaeblein
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