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Februar 2016 - coolibri Düsseldorf /Wuppertal

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T H E A T E R Louise

T H E A T E R Louise Lecavalier Foto: Andrße Corn L O U I S E L E C A V A L I E R Die Inkarnation von Extremtanz Louise Lecavalier ist ein Superstar der internationalen Tanzszene. Ihr neuestes Werk lotet die Mysterien des verhüllten, verkapselten und aufgerüsteten Körpers aus. Die Uraufführung findet im tanzhaus NRW statt. Die von Kritikern, Preisjurys und Publikum gleichermaßen gefeierte Kanadierin gilt als Ikone des zeitgenössischen Tanzes und als herausragende Bühnenpersönlichkeit. Der „platinumblonde rebel, refusing all chains“ (Le Monde, Paris) arbeitete bereits mit Größen wie David Bowie (dem sie wie eine Schwester ähnlich sieht), Frank Zappa und dem Ensemble Modern. Als schillernde Frontfrau der legendären Kompanie La La La Human Steps reizte sie in den 1980er Jahren die Grenzen zwischen Tanz, Sport und Akrobatik aus und schrieb Tanzgeschichte. 1999 verließ sie La La La und gründete sieben Jahre später ihre eigene Kompanie Fou Glorieux. „I want the body to be able to say 44 everything it wants to say without censuring it, leaving it free to surprise itself by what it reveals“, so lautet ihre Philosophie. Bereits 2012 präsentierte sie eine Weltpremiere im tanzhaus NRW: „So Blue“ – ihr berauschendes und hochenergetisches Debüt als Choreografin – verhandelt zu monoton hämmernden Elektrobeats Bewegungsprinzipien wie Tempo, Rhythmus, Wiederholung und Dekonstruktion. Im Februar 2016 nun kommt die 50-Jährige erneut mit einer Uraufführung in das ehemalige Straßenbahndepot. „Battleground“ ist inspiriert von Italo Calvinos Erzählung „Il cavaliere inesistente“. Im Mittelpunkt steht der Ritter Agilulf. Seine Rüstung ist leer, hat zwar Stimme und Seele, aber keinen Körper und keine Verbindung zur Welt. Bewegung scheint die einzige Möglichkeit, existieren zu können – egal ob springend, stolpernd, schwankend oder rutschend. In Soli und Duetten hinterfragt Lecavalier das Rätsel des eingehüllten Körpers sowie unterschiedliche Auffassungen von Identität. Themen wie Schwerelosigkeit, Mechanik, Vibration, Balance und Trance werden musikalisch begleitet von einer Klanglandschaft zwischen Ambient, Elektronik und Perkussion. Unbedingt sehenswert! Susanne Ruprecht 13.+14.2. tanzhaus NRW, Düsseldorf; vorher Physical Introduction, am 14.2. anschließend Publikumsgespräch

T H E A T E R D I E W U P P E R T A L T O N T H E A T E R Roberto Ciulli Orientierungslosigkeit reloaded Roberto Ciulli inszenierte bereits vor mehr als 35 Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus. Nun kehrt er im Rahmen einer Koproduktion des expressionistischen Meisterwerks „Die Wupper“ von Else Lasker-Schüler zurück. Die mehr als hundertjährige Handlung ist aktueller denn je. Der Intendant des Mülheimer Theaters an der Ruhr, Roberto Ciulli, ist vor allem für seine multinationale, kosmopolitische und weltoffene Kulturarbeit bekannt. Seit Jahrzehnten gastiert er mit seiner Truppe regelmäßig im Ausland – Ensembles aus der Türkei, dem Iran, Syrien, Irak, Usbeskistan, China und vielen anderen Ländern holt er zu sich an die Ruhr. „Brückenbauer zwischen den Kulturen“ nannte ihn NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft treffend, als sie ihm 2013 den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen verlieh. Typisch für sein Bühnenwerk sind bildgewaltige, oft filmisch anmutende und surrealistische Aufführungen. „Ciullis Inszenierungen bewegen sich zwischen Poesie, Clownerie und Gesellschaftskritik, sind immer auch Selbstfeier und kultisches Fest“, so die Theaterkritikerin Christine Dössel. Theater bedeutet für den promovierten Philosophen zudem auch immer Einsatz für verfolgte Minderheiten und Überwindung von Feindbildern – ein Anliegen, das derzeit wichtiger erscheint denn je. Im Central gastiert er nun mit Else Lasker-Schülers „Die Wupper“. „Eine böse Arbeitermär, die sich nie begeben hat, aber deren Wirklichkeit fantastisch ergreift“, beschreibt die Dichterin ihr erstes Theaterstück. Es handelt von sozialen und religiösen Gegensätzen zu Beginn des Industriezeitalters in Wuppertal. Anhand der Industriellenfamilie Sonntag und der Arbeiterfamilie Pius wird die innere Beziehungs- und Sinnlosigkeit des Lebens dargestellt. Das Besondere: Die Geschichte ist mehr als hundert Jahre alt und könnte doch aktueller kaum sein, erzählt sie doch von der Auflösung der sozialen Strukturen, der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich, der Fragmentarisierung der Gesellschaft und der Orientierungslosigkeit der Menschen. Religion ist zudem nur noch Mittel zum Zweck oder Sehnsuchtsziel einer Weltflucht. Die Ciulli‘sche Verhandlung dieser Themen wird hoffentlich noch einmal überraschen. Susanne Ruprecht 12. (Premiere), 16.+29.2., Central, Düsseldorf Foto: Andreas Köhring Der Gott des Gemetzels Metzelnde Menschen Die lieben Kleinen sind der Grund, warum die Ehepaare Véronique und Michel Houillé sowie Annette und Alain Reille sich im Hause Houillé zusammenfinden. Der elfjährige Ferdinand Reille hat den gleichaltrigen Bruno Houillé in der Schule mit einem Stock verprügelt und ihm dabei zwei Schneidezähne herausgeschlagen. Die Eltern sind nun zusammengekommen, um das Geschehen zu diskutieren. Was nach einem Allerwelts-Plot klingt, entpuppt sich als Auftakt zu einer „wunderschönen bitterbösen Komödie“, wie Jens Kalkhorst, Regisseur des Wuppertaler TalTonTheaters, es formuliert. Darüber hinaus ist „Der Gott des Gemetzels“ auch eines der erfolgreichsten Theaterstücke der vergangenen Jahrzehnte. Laut Theaterverlag Desch, der die Aufführungsrechte für den deutschsprachigen Raum vergibt, wurde das Stück allein in den Spielzeiten 2006/07 und 2007/08 an ca. 60 deutschsprachigen Bühnen inszeniert. Aber auch Nicht-Theatergänger können den Stoff kennen: Das Stück wurde von Roman Polanski im Frühjahr 2011 in Paris verfilmt. Jens Kalkhorst: „Der Stoff macht riesigen Spaß, und Yasmina Reza ist wirklich DIE Dramatikerin.“ Für die Inszenierung des TalTonTheaters holte Kalkhorst seinen Regiekollegen Michael Hans Hermann aus Bremen ins Boot: „Wir haben bereits mit ihm zusammengearbeitet. Er ist genau der Richtige.“ Jens Kalkhorst will das Drama hinter der Komödie dabei nicht vergessen wissen: „Es zeigen sich ja alle möglichen menschlichen Abgründe. Da soll das Publikum selbst entscheiden, an welchen Stellen es lacht.“ In der Tat drängen die Schwachpunkte der einzelnen Lebensläufe sukzessive an die Oberfläche und die Atmosphäre wird zunehmend aggressiver. Der Alkohol bewirkt schließlich die Eskalation. Annette übergibt sich auf einen wertvollen alten Bildband von einer Ausstellung Oskar Kokoschkas und ertränkt das Handy ihres Mannes in einer Blumenvase. Die Beziehung zwischen den Söhnen sollte wiederhergestellt werden, doch nun lassen die beiden Paare ihre Wohlstandsmasken fallen und ergehen sich in einem Streit, der sich gewaschen hat. Das TalTonTheater, das sowohl komödien- als auch tragödienerfahren ist, dürfte aus dem Stoff eine wunderbare, turbulente Inszenierung machen – mit Angela del Vecchio Ralf Poniewas, Theresia Furth und Maurice Kaeber.JD TalTonTheater – Der Gott des Gemetzels: 27.2. 20 Uhr (Premiere), 28.2. 18 Uhr; taltontheater.de Foto: Joachim Schmitz „Yasmina Reza ist wirklich DIE Dramatikerin“ 45

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