MUSIK V ON HIER 30 Donia Touglo bringt eine wilde, afrikanische Briseindie Musikaus NRW. Herzlichen Glückwunsch zu deinem Preis! Wiefühlstdudichnun wenige Wochen danach? So langsamkann ichdas Gefühlannehmen, aber es istimmer noch ein bisschen surreal,weilesallgemein so krasse Künstlerdortgab.Als ich mir dieNominierungsliste angeguckt habe, dachte ichsofort„Ok Goodbye, Donia“. Wenn ichnun aufmeinenScheck schaue,bin ichimmer noch überwältigt davon, wasesfür eine Riesenehre ist. WiehastduMusik alsKindindeinerHeimat Togo erlebt? Musikwar eigentlich immer einMittelzuAllem.Eswurde zu jederZeitMusikgehörtund auch gemacht.Bei Trauer oder auch Zuhause, um Freude herauszulassen. In meiner FamiliesindalleLiedermacher. Es waraber auch etwasSpirituellesund Befreiendes, wasfür mich alsKindjedoch noch nichtgreifbarwar.Ich war schonals Kind im Kirchenchor.Meine beste Freundin dorthat gerappt, ichhabedazugesungenund wirhaben LiederimKinderzimmer geschrieben. Dasscheint meineBerufungzusein. Wiehat sich das verändert, alsdunachDeutschland gekommen bist? IchhabeinDüsseldorfhäufigerBackingsfür Rapper gemacht, habemich aber selbst nieimVordergrund gesehen, weil ichmeine Stimmenicht mochte. Aber durch meineSchauspielausbildung in Köln habeich mehr Kraftbekommen,umalleinvorne stehen zu können. Generell hatsich mein Blickwinkelauf Musiktotal verändert.Wennich jetztinTogobin, merkeich,dassdortein ganz anderesFeeling herrscht. Aber Deutschland hatmicheherbereichert. IchhabeeineZeitlangMetal in einerBandgespieltund Emogehört. Dashat ebenso meinen Werdeganggeformt und ichhabegesehen,dassich nichtnur denfür Schwarze typischenSoulmachen,sondern mich in allen Musikbereichen ausdrücken kann.Ich sauge Sachen aufund möchtesie dann wieder zurück an dieWeltgeben. Foto: Donia Touglo „Die Welt isteine Maschine, beider kein Einzelstück wertlos ist“ Im Oktober wurdezum zehntenMal der popNRW-Preis verliehen. Eine derrenommiertesten Auszeichnungen, diePopmusiker:inneninDeutschland erhalten können. Nebendem Hauptpreis als „OutstandingArtist“gab es dieses Jahr zumsechsten Malauch eine:n Gewinner:in in derKategorie „Newcomer“.Die Gewinnerin2021 ist die in Togo geborene und in Köln lebende DoniaTouglo. Christopher Filipecki stellteihr Fragen zu ihrerersten Begegnungmit Musik, ihrerLebensphilosophieund ob Deutschland endlich für mehrDiversität bereit ist. Heißt, du hast aber zunächst eigentlich Schauspiel gemacht.Wolltestdu ansTheater oder insFilmgeschäft? IchhabeimSchauspieleinen Ortgefunden, in demich „Ich“seinkann.Vorherhabeich vieleandere Berufe ausprobiert,die allenicht dasRichtige waren. Kunstwar für mich aber irgendwieeasy. Eigentlich wollte ichTheaterpädagogin werden,habeaberimmer gemerkt,dasswennich mitden Kindern arbeite,ich mehr selbst ausdrücken möchte, als nurzubegleiten. Nebenbeihabeich aber immer meinemusikalischen Minisachen gemacht. 2019 kammeinStart alsSolokünstlerin,bis dahin war es einAusprobieren. Musikist nunmeinHauptfokusaus einemganzeinfachenwie kompliziertenGrund.Ich sage immer, beiMusik binich seelennackiger. Da muss ichalles gebenund kann mich nichthintereiner Rolleverstecken. Musik istAdrenalin,Heilung,Connectionauf einerganzanderen Ebene. Ichliebe es,dassman sich in demMomentauf derBühnenicht verstecken kann. MeineAusbildunghat mich aber freier gemacht.Ich wusste zwar da vielleicht schon,dassich irgendwannsingenwerde,aberdas Schauspiel hat mich mehr dafür geöffnet.Wie einPraktikum voreiner Ausbildung. Du wechselstzwischenEnglisch,Deutsch,deinerMuttersprache Eweund einereigenen Phantasiesprache hinund her.Passiertdas bewusste? Manchmal ja,manchmal nein.Ich überlege mir vorher,wie wichtigesmir ist, dass dieganze Welt denTextversteht. Wenn ichdas möchte, schreibe ichden Text aufEnglisch.Wennich eher füreineausgewählte Gruppe an Leuten schreibenmöchte, istder Text aufDeutsch oder Ewe. BeideNationensindTeile vonmir.Wennich aber einfachmeinGefühltransportieren möchteund mir wichtigist,dassdas Gefühlverstandenwird, istesmeine ganz eigeneSprache,alsodie SprachemeinerSeele.Ich möchte, dass die Leutedenken: „Oh, wassagtsie da?Ich kann es nichtverstehen,aber fühlenund es ziehtmichan“.Wir alsMenschenverständigenuns viel häufigerüberdas Nicht-Gesprochene. Beim popNRW-Preishaben dieses Jahr in beiden Kategorien farbigeFrauen gewonnen.Denkstdu, dassDeutschland mittlerweile offen genugist, oder findestduesschwer, hier musikalisch zu landen? EinThema,das mich einbisschenmelancholisch macht.Ich glaube, aktuellgibtsichDeutschland Mühe,diverszusein. Ichhatte gleichzeitig sogar
MUSIK V ON HIER Angst, weil zwei Schwarze gewonnen haben.Ich habemichzwargefreut, aber dachte sofort,dassich oder auch DieP(Anm.d.Red.: Gewinnerin 2021 in derKategorie„OutstandingArtist“)nun vielleicht Hassnachrichtenbekommen.Esist eigentlich falsch,sozudenken undzufühlen, aber passierteautomatisch.Wir machen zwar einenSchritt nach vorneals Menschen aufdiesemPlaneten, aber gleichzeitig hoffeich,dasseskein Trostpreis ist, weil manuns so langeignoriert undabgeschoben hatund nunfortschrittlich sein möchte. Ichhoffe,dasswir abgesehenvon unsererHautfarbegewonnen haben undman unswirklichambestenfand. Ich wünsche mir vonHerzen, dass es gut undehrlich gemeintist. DeineSongs klingenäußerstunterschiedlich.Stile werden immervermischt. Hast du Genres,die du persönlich ausschließt? Mein altesIch hättegesagt, Schlager finde ichnicht gut,aberwennich heute an bestimmten FesttagenSchlagerhöre,denke ichsogar da „Nice!“ undtanze.Ich sehe dieWeltwie einmagisches Kunstwerk undfinde es schwer,michnicht vonAllem inspirieren zu lassen.Auch meineHauptquelleist sehr saisonal.Manchmal höre ichvielAfrobeats oder Neo-Soul, dann binich wieder beiAlternative,House,Drums oder Experimentellem, wasman nichtsofortverstehen kann.Auch Naturgeräusche wieWindund Wasser finde ichtoll. Kommt immer darauf an,wie ichmichgeradefühle. Nunkannst du dirdurch das Geld und dieAufmerksamkeit,die du dank desPreises bekommen hast,vielleichteinen Wunsch erfüllen –was hast du vor? Ichhabemir so viel aufgeschrieben,was ichmit demGeld machenmöchte,davon schaffeich überhauptnicht alles.Ansonsten hoffeich,dassich als Independent Artist durch dieAufmerksamkeitein bisschen Hilfebekomme. Da ichalles alleinmache,merke ichmittlerweile, wieanstrengend dasist,wie fertig es mich machtund dass ichein Team brauche. Vielleicht hörenmanche meineMusik undwissenzwar nichtsofort, wo sie mich reinpacken sollen,aberwollenmichunterstützen. Gleichzeitig hoffe ich, dass ichmehrSoulmates finde,die mitmir zusammen etwasmachen möchten oder dieeinfachmit meiner Musiketwas für sich entdeckt haben. Meine Musikhat viel Empowerment, weil ichesoft selbst brauche. Generell an euch,die dasgeradelesen: du bist wichtig. Wirfühlen unsoft wert-und bedeutungslos,aberich sehe dieWeltals eine Maschine, beider keinEinzelstückwertlos ist. WirsindUnikate undindividuelleGeschenke für dieses Kollektiv. WirbrauchenVerschiedenheit,Diversitätund bunte Vielfalt. Findedeine Farbeund repräsentieresie ohne Angst! Kay Shanghai –Haram Seit 20 Jahren einNameinder Clubszenedes Ruhrgebiets, seit 15 Jahren Inhaber einerder beliebtesten Locationsüberhaupt: Das „Hotel Shanghai“ in Essenist mitseinemkultigenInhaber KayShanghaijedem:rein Name. Nunmöchteder extravagante Kayaberauch denMusikmarkt erobern, sogarein wenigrevolutionieren.Das heteronormativeRapgenre wirddurch queere, expliziteLyricsauf linksgedreht.Kay verpacktEskalationen, Bettgeschichten, aber auch Herzschmerz in zehn Titel, dienicht maldie Halbestundengrenzeüberschreiten,aber dafür flauschigden Weginden Gehörgang findensowie parallel zu Schmunzler,Lacherund Hüftschwingungen animieren.Die ersteSingle „Ananas“sollteunbedingt mitMusikvideo genossen werden.Ein bunter Klecks im fast ausgelutschten Rapgame,das lautihm in derZukunftmit Ygeschrieben werden darf. VÖ.26.11. Betontod–Pace PerSempre Werhätte gedacht, dass Rheinbergmal eine Punkband hervorbringt,die auch nach 30 Jahren noch erfolgreichamStart ist? Betontod ergeht es exakt so.Mit ihremachtenStudioalbum „PacePer Sempre“,was aufItalienisch „Frieden für immer“ bedeutet, istdas Quintett erneut aufErfolgskurs undbringt in 35 knackigenMinuten zwölf Songsandie Zuhörer:innen, dieabsolut zufriedenstellen sollten. Mitreißend,lautund stetsmit Mitsingrefrain gewappnetist dieneue LP wiezum Livespielengemacht. Dabeigehtauch diepolitischeHaltung nichtverloren,dennwer im Testosteron-dominiertenPunkgenre eine Regenbogenfahneals Albumcover wählt, hatdefinitivEier. Betontod zeigenalsoSolidarität undLiebe fürDiversität.Mit „Hals-Maul-Arsch-Gesicht“ wird scharf geschossen und abgerechnet, bei„Wirklich wichtig“ großeVerlusteverarbeitet. VÖ. 29.10. Broilers –SantaClaus EinWeihnachtsalbum gehört halt zu jederguten Diskographiedazu. Das scheinen auch dieDüsseldorferBroilerszuwissen, diezum zehnjährigen Jubiläum ihresDurchbruchalbums„Sante Muerte“nun mit„SantaClaus“ ihre zweite Veröffentlichunginnerhalb einesKalenderjahresabliefern. Die 14 nichtzukitschigenWeihnachtstrackssetzensichaus sehr bekannten („Santa Claus Is Comin‘ To Town“, „Feliz Navidad“),eherunbekannten („Father Christmas“, „Oi! To TheWorld“) undsogar zwei selbstkomponiertenTiteln(„GrauerSchnee“,„VorMitternacht (AuldLangSyne)“)zusammen, sparenaberdankenswerterweise „LastChristmas“aus.Dabei hätte Frontmann Sammyeigentlich schon längstdiese Classics mitseinercharakteristischenStimmeinterpretierensollen. StimmungsvolleKombi ausSwing, Pop, Rock’n’Rollund leichtemSka.Hohoho! VÖ.12.11. Schlakks –Wir Werden VonEuchErzählen Schlakks macht „Deutschrapfernabvon sexistischen Inhalten,Mackertumund hedonistischemMaterialismus“, wieesder Dortmunder,der bereitsWorkshopsfür denNachwuchsgab,auf seiner Websiteselbstbeschreibt. Und tatsächlich klingt „Wir werden voneucherzählen“puristisch undaufs Wesentlicheheruntergebrochen.Schlakks erzählt, kritisiertund hinterfragt im sehr klassischenRapgewandohnegroßaufzuplustern.Produziert mitseinenlangjährigenWeggefährt:innen Razzmatazz undOpek ertönen in dem40-minütigen,neustenWerkund derdamiterstenLPseit 2018 vieleTracks, dieeinen gewissen Großstadt-Streetstyle mitbringen,ohne peinlichzuwirken. Ob diefunkige Gute-Laune-Nummer„High Five“, eine Pianohookin„Liebezeigen“oder derschwermütigeCloser„Ichweiß nicht, wasdas ist“ –aufmerksames Zuhörenwirdbelohnt. VÖ. 29.10. 31
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