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Dezember 2016 - coolibri Ruhrgebiet

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Werkstatt, keine Schule

Werkstatt, keine Schule Das Museum Folkwang öffnet mit „Das rebellische Bild“ ein weitgehend unbekanntes Kapitel der deutschen Geschichte für Fotografie und akzentuiert damit auch die eigene Entwicklung. Michael Schmidt, Ohne Titel, aus „Porträt“, 1983 Foto: © Stiftung für Fotografie und Medienkunst, Archiv Michael Schmidt „Wenigstens an die für die Berliner wie für die internationale Fotokultur so eminent wichtige ‚Werkstatt für Photographie‘ sollte erinnert werden“, mahnte Enno Kaufhold 2001 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nachdem er anlässlich des 25. Gründungsjubiläums der Fotoschule ernüchternd feststellte, dass „alle Versuche gescheitert“ waren, ihren Leistungen nachzugehen – bis auf eine Ausstellung und einen Katalog anno 1991 („Photographie hat Sonntag“). Nun, 15 Jahre später, zum 40. Geburtstag der „Werkstatt“, erhält jene Ausbildungsstätte für Fotografie, die zu den wichtigsten in Deutschland gezählt wird, neue Aufmerksamkeit. Die „Werkstatt für Photographie“ wurde 1976 von Michael Schmidt gegründet – in den Räumen der Volkshochschule Kreuzberg. Dort existierte sie zehn Jahre lang. „Der Eintritt ist ohne Qualifikation hinsichtlich der Schulausbildung und des Alters möglich. Jeder, der die Photographie ernsthaft als Ausdrucksmittel seiner Persönlichkeit erlernen will, kann Kurse belegen“, erklärte Michael Schmidt den Ansatz in der Zeitschrift „Camera“. Damit war die „Werkstatt“ durch den freien Zugang unkonventionell und stellte konzeptionell zugleich ein Novum dar. 50 Denn im Gründungszeitraum war Fotografie als gleichberechtigt künstlerische Ausdrucksform noch nicht neben den anderen Künsten vollends akzeptiert. Das wird auch durch die damals noch geringe Bedeutung des Genres in Sammlungen und Ausstellungen deutlich. Doch das sollte sich bald gravierend ändern. Wiederentdeckung nach langer Stille Neben einer neuartigen Ausbildung veranstaltete die „Werkstatt“ zudem zahlreiche Ausstellungen und ermöglichte den Austausch mit namhaften internationalen Fotografen, die zu Wochenendseminaren eingeladen wurden. Darunter befanden sich Larry Clark, Ute Eskildsen, William Eggleston, Robert Frank – unter anderem! Unterstützt wurde die „Werkstatt“ dabei durch das Amerika-Haus. Man könnte fast meinen: wieder so ein West-Berliner ‚Ding‘. Doch im Gegensatz zur Düsseldorfer Photoschule von Bernd und Hilla Becher wurde es um die „Werkstatt“ nach ihrer Schließung 1986 sehr still. Warum? Die Namen der Akteure lesen sich ebenfalls wie ein Register der Fotografie-Geschichte. Fehlte es einer „Werkstatt“, die innerhalb einer VHS existierte, an institutionellem Einfluss im Foto-Diskurs, um sich in die Geschichtsbücher einzuschreiben, auch weil sie stets auf das Engagement Einzelner angewiesen ist? Auch diese Frage können sich Besucher stellen, wenn sich gleich drei Museen der „Werkstatt“ und ihren Akteuren widmen, ihre Geschichte beleuchten, Einflüsse benennen und ihre Bedeutung aufzeigen. Neben C/O Berlin und dem Sprengel Museum Hannover rückt das Museum Folkwang in Essen mit der Ausstellung „Das rebellische Bild“ die eigene Folkwang-Geschichte im Kontext der „Werkstatt“ in den Fokus. In Essen bestand ein reger Austausch mit der Berliner Szene und die Ruhrmetropole entwickelte sich zu einem wichtigen Standort für junge zeitgenössische Fotografie. Wie der Titel verrät, war es eine Zeit des Aufbruchs und des Entgegensetzens – institutionell und inhaltlich. In Essen herrschte nach dem Tod Otto Steinerts eine „produktive Situation der Verunsicherung“, eine Phase, die neue Ausdrucksweisen förderte – und neue Haltungen. Stefanie Roenneke Das rebellische Bild: 9.12.2016–19.2.2017, Museum Folkwang, Essen; museum-folkwang.de

K U N S T B O C H U M Hans Schmitz-Wiedenbrück, Familienbild, (vor) 1939 Foto: © German Art Gallery, The Netherlands „Artige Kunst“ unter Tage Weite Teile der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts wurden von den Nationalsozialisten als „entartet“ bezeichnet und verboten – oder sogar zerstört. Doch was ist mit der vom NS-Regime geduldeten und geförderten Kunst? Das Museum unter Tage zeigt exemplarische Werke unter dem bewusst polemisch-ironischen Titel „Artige Kunst“. Ein solches Ausstellungsprojekt erfordert von seinen Machern Mut und Courage. „Ich hatte Scheu und Schiss vor dieser Ausstellung“, gesteht Jan-Uwe Neumann von der kooperierenden Kunsthalle Rostock ein, in die die Schau nach ihrer Station in Bochum wandert. „Ich spüre immer noch ein gewisses Unbehagen dabei, diesen Arbeiten einen musealen Kontext zu geben.“ Aus vor allem zwei Gründen wird die vom NS-Regime geförderte Kunst selten bis nie präsentiert: Sie gilt als banal oder kitschig – was sie zweifellos oftmals ist. Außerdem gibt es die Befürchtung, dass sie immer noch faszinierend oder sogar propagandistisch wirken könnte. Was, wenn eine Gruppe vom politisch rechten Rand in die Ausstellung geht? Die Leitung des Museums unter Tage hat ihr vorwiegend studentisches Personal extra geschult und angewiesen, keinen Besucher allein zu lassen, stetig zu informieren. Auch das Konzept selbst ist stark genug, um eine unterkomplexe Sicht auf die Kunst im Kontext ihrer Zeit praktisch auszuschließen. Überall wird die „artige Kunst“ mit expressionistischen Malereien oder Fotografien kontrastiert, die eine ganz andere Wirklichkeit ihres Zeitalters bebildern. Die Schau verfolgt die Kernthese Silke von Berswordt-Wallrabes vom Museumsbetreiber Stiftung Situation Kunst: „Diese Kunst ist unaufrichtig, unwahrhaftig. Sie schafft einen Raum, der politik- und krisenfrei ist.“ Es ist nämlich nicht in erster Linie Propaganda, die die Künstler im Sinn hatten. Auf Bildern wie „Pflügen“ von Paul Junghanns wird der Betrachter konfrontiert mit ländlichen Idyllen, die stilistisch weit hinter die Moderne zurücktreten und die hoch industrialisierten Gesellschaft ausblenden. Regelrecht gespenstisch wirkt die von den Nazis geförderte Kunst mit Gemälden von Gerhard Keil oder Skulpturen Arno Brekers, der nach dem Krieg sogar noch Adenauer in Bronze gießen durfte: Es sind Menschen zu sehen, denen jede Individualität genommen ist – gleichgeschaltete, normierte Körper. Gleich das erste Bild der Schau stellt diesen Darstellungen ein anderes Bild der historischen Wirklichkeit gegenüber: Sgt. Harry Oakes Fotografie eines Leichenberges bei der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen- Belsen. Max Florian Kühlem „Artige Kunst“: bis 9.4.2017 Museum unter Tage, Bochum; situation-kunst.de SCHAUSPIELHAUS BOCHUM „BOAH INGE, TIERISCH SCHARFER FUMMEL ...!“ EINMALIG FREIER EINTRITT BEI ÜBER 90 AUSFLUGZIELEN RUHR.TOPCARD MIT DER KANNST DU WAS ERLEBEN! WWW.RUHRTOPCARD.DE 51

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