T H E A T E R M Ü L H E I M Surreale Bilder „Der Präsident ist eine alte Sau“ heißt der erlösende Satz in Slawomir Mrozeks Satire „Polizei“, der die alte Ordnung wieder herstellt. Denn nachdem die Ordnungshüter ihren letzten Gefangenen, einen Bombenattentäter, gehen lassen mussten, drohte ihnen die Arbeitslosigkeit. Petra von der Beek, Steffen Reuber, Dagmar Geppert, Axel Strothmann Foto: Joachim Schmitz Doch mit einigen Mühen und Provokationen konnte ein Oppositioneller gefunden werden, der die Weiterbeschäftigung der Staatsdiener sichert. Kurz nach dessen Festnahme explodiert eine Bombe und die gegenseitigen Bespitzelungen, Verdächtigungen und Verleumdungen enden in völligem Chaos. Eigentlich ein aktueller, brisanter Stoff in Zeiten undurchsichtiger Machenschaften von Geheimdiensten und Enthüllungen von Whistleblowern. In Zeiten, in denen überflüssig gewordene (autoritäre) Systeme um ihren Selbsterhalt kämpfen und sich jeglichem Reformversuch von außen verschließen. Leider stülpt der Regie führende Jo Fabian dem Text diverse Bedeutungsebenen über, sodass lediglich zerstückelte Elemente übrig bleiben. Die eigentliche Geschichte wird immer wieder durch Aktionen unterbrochen, denn wir sehen die Probe des Stücks und schauen Schauspielern dabei zu, wie sie die Sinnhaftigkeit ihre Tuns auf der Bühne anzweifeln. Ja, auch das System Theater folgt einer inneren Logik des Selbsterhalts und eine Inszenierung folgt der Autorität des Regisseurs – mehr oder weniger. Diese Spielebene des permanenten Selbstbezuges ist nur anfangs witzig und torpediert den Rhythmus der gesamten Aufführung. Sicher ist auch dieser Effekt gewollt, im Sinne des absurden Theaters, das versucht, jegliche Absichten und Sinnhaftigkeiten im Keim zu zerstören. Als Zuschauer schaltet man jedoch bald ab und versucht, einige der wirklich gelungenen surreal wirkenden Bilder in sich aufzunehmen: Seltsame rauchende Rohre, ein Drehkurbel-Plattenspieler, motivlose Bilderrahmen auf einer schräg verlaufenden Wand. Tennisbälle, die hundertfach von der Decke prasseln. Eine Meerjungfrau, die in den Pfützen auf der Bühne herumplanscht. An diesen Stellen schafft es das Ensemble, eine Magie zu entfalten und in freien Assoziationen zu schwelgen. Ariane Schön Polizei: 16.+30.12. Theater an der Ruhr, Mülheim; theater-an-der-ruhr.de BOCHUM 1.12. Über Gott und die Welt, Theater- und Tanzprojekt, (R: Martina van Boxen, Arthur Schopa), Theater unten 3.12. Die unsichtbare Hand / Am Boden von Ayad Akhtar, George 46 Premieren im Dezember Brant (R: Anselm Weber), Kammerspiele 14.12. Club 1: Ungenügend (R: Jens Niemeier), Theater unten CASTROP-RAUXEL 11.12. Maria, ihm schmeckt’s nicht von Jan Weiler, Dirk Böhling (R: Dirk Böhling), WLT-Studio DORTMUND 2.12. Zuckeralarm von Ulrike Willberg (R: Isabel Stahl), Kinder- und Jugendtheater 10.12. Furcht und Elend des Dritten Reiches von Bertolt Brecht (R: Sascha Hawemann), Megastore 17.12. Furcht und Hoffnung in Deutschland: Ich bin das Volk von Franz Xaver Kroetz (R: Wiebke Rüter), Megastore DUISBURG 22.12. Der Graf von Luxemburg von Franz Lehár (R: Jens-Daniel Herzog), Theater Duisburg
T H E A T E R B O C H U M oder Regie: Gerburg Jahnke Buch: Markus Beutner-Schirp Musik: Many Miketta Nils Kreutinger (Gregor Samsa), Michael Pietsch (Prokurist) Foto: Diana Küster Die Versöhnung „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt“, belegte 2007 den zweiten Platz beim Wettbewerb „Der schönste erste Satz“. In Jan-Christoph Gockels Bochumer Einrichtung von Kafkas „Die Verwandlung“ hören wir ihn nicht nur am Anfang. Und das aus gutem Grund. Der Sohn zum Geschmeiß mutiert (irgendwas Schabiges … aber mit Nüstern), die Familie nach und nach aus der Schockstarre erwachend. Kafkas Erzählung ließe sich auf der Bühne schnell zur Lachnummer machen, man bräuchte nur ein Kostüm mit sechs Beinen. Die Bochumer Verwandlung indes ist nach dem ersten Satz am ersten Morgen nicht beendet – dank eines Kunstgriffs aus der Puppenstube von Michael Pietsch. Die Schauspieler sind hier Marionettenspieler ihrer selbst: Taucht dabei Gregor (Nils Kreutlinger) als Mensch auf, ist die Familie auf dem Holzweg, spielt ein Holzkopf den Sohn, sind Vater, Mutter und Schwester zwar Menschen, aber nicht gerade sehr menschlich. Die Kammerspiel-Bühne dreht sich, mal ist der winzige Gregor in einem riesigen Zimmer gefangen, mal umgekehrt. Ist das etwa kafkaesk? Wohl kaum, geht dem Abend der sachliche Ton der Vorlage doch selten über die Lippen. Andererseits auch nicht nicht kasperlesk! Brechtschaffend dagegen wird’s, sobald das Ensemble ans Gesangs-Mikro tritt oder der Vater seine neue braune Uniform als blau anpreist. Pythonesk zudem, wenn die „Bedienerin“ (auch hier sehr verwandelbar: M. Pietsch) vor dem siechendem Gregor herumfeudelt wie einst John Cleese vorm „dead parrot“. Ohne das Ungemach des Sohnes selbst kaputtzudeuten, ist die Inszenierung dagegen im besten Sinne versöhnlich – für die, die in der Lehranstalt am Originaltext verzweifelten und sich nichts mehr herbeisehnten, als dass in Kafkas Schlusssatz die Schwester „ihren jungen Körper dehnte“. Andreas Lammers Die Verwandlung: 6.,17.,25.+31.12. Kammerspiele, Bochum; schauspielhausbochum.de JETZT KARTEN SICHERN: 0208/20 54 024 / WWW.EBERTBAD.DE ESSEN 4.12. Lohengrin von Richard Wagner (R: Tatjana Gürbaca), Aalto-Theater 10.12. Superhero von Anthony McCarten (R: Karsten Dahlem), Casa 17.12. reTURN von Jelena Ivanovic (Ch: Jelena Ivanovic), Box GELSENKIRCHEN 16.12. Die lustige Witwe von Franz Lehár (R: Sandra Wissmann), Musiktheater im Revier OBERHAUSEN 18.12. Nils Holgersson nach Selma Lagerlöf (R: Jean Renshaw), Theater Oberhausen EisSalonRuhr 10. - 30. Dezember 2016 Jahrhunderthalle Bochum www.facebook.com/eissalonruhr 47
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