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coolibri Campus No 3

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I N T E R V I E W D e r

I N T E R V I E W D e r g e n i a l e S c h a c h z u g m i t d e m W a r p - A n t r i e b Das Beamen liegt zwar für uns immer noch in den Weiten des unendlichen Weltraums, ist aber physikalisch betrachtet eine sehr clevere Lösung bei Star Trek, sagt Autor Metin Tolan. Und er muss es ja wissen: Denn der Professor für Experimentelle Physik an der TU Dortmund hat schon so manchen Star-Trek-Film-Marathon hinter sich gebracht. Nicht nur, weil er die Stories mag, sondern auch, weil die physikalischen Erklärungsansätze darin tatsächlich Sinn machen. In seinem neuen Buch „Die Star Trek Physik“ erklärt er die Hintergründe von Warp-Antrieb und Co. und verrät im Interview, welche Star-Trek-Ideen aus den 60ern für uns nun Alltag sind. Hand auf’s Herz: Sind Sie ein Trekkie? Ich bin ein Star-Trek-Fan, das schon. Ich habe natürlich alle Folgen der Serien und alle Filme gesehen. Aber ich bin kein Trekkie in dem Sinne, dass ich verkleidet herumlaufen würde wie Captain Kirk. Mein Interesse kommt immer von der physikalischen Seite, aber auch von den Geschichten, die dort erzählt werden. Sie schreiben, man könnte 24 Tage lang durchgehend Star Trek gucken. Haben Sie eine ähnliche Erfahrung gemacht während Ihrer Recherchen? Also, das entspricht schon der Wahrheit. Ich erinnere mich noch, dass, bevor der sechste Film ins Kino kam, ich in ein Kino gegangen bin, welches die ersten fünf Filme hintereinander weg gezeigt hat. Solche langen Abende – mit Star Trek zehn Stunden am Stück – habe ich schon ganz häufig gemacht. Und das mache ich gerne. Für das Buch habe ich immer wieder mal Folgen geguckt, auf der Suche nach interessanten Szenen. Es geht ja um die entsprechende Physik dahinter. Dabei hat mir sehr geholfen, dass ich die ganzen Texte, die gesprochen werden, als englische Textdateien vorliegen habe. So konnte ich auch nach bestimmten physikalischen Details suchen. Nach welchen Kriterien haben Sie die Szenen ausgesucht? Erstens waren das Szenen, die ich kannte. Aber es ist auch allen Szenen gemein, dass sie einen physikalischen Inhalt haben. Manchmal hat man das Gefühl, das ergibt ja gar keinen Sinn, was die da sagen. Und ich versuche in meinem Buch klarzumachen, dass das alles Sinn ergibt! Wenn bei Star Trek eine Zahl genannt wird, dann ist die meistens nicht erfunden, sondern basiert auf einer konkreten Rechnung. Ein Beispiel: Wenn davon gesprochen wird, dass alle Materie in einem bestimmten Band vibriert, mit einer Wellenlänge von 21 Zentimetern, dann ist das zwar ungenau, weil unsere Materie nicht vibriert, aber 21 Zentimeter Strahlung ist die bekannte Strahlung des Wasserstoffs. Mit diesen 21 Zentimetern stellt man Wasserstoff im Universum fest. Das ist der Fingerabdruck von Wasserstoff. Und darauf wird da auch angespielt. Und im „Wenn es in Star Trek um eine Zahl geht, dann ist sie physikalisch sinnvoll.“ Buch erkläre ich dann genau, worum es bei diesen 21 Zentimetern geht. Immer, wenn es bei Stark Trek um eine Zahl geht, dann ist sie physikalisch tatsächlich sinnvoll. Gibt es eine Begebenheit in der Serie, die Sie physikalisch gerne anders hergeleitet hätten? Eines ist klar: Star Trek ist kein Telekolleg. Das muss man nüchtern sehen, die wollen Geld damit verdienen. Und das ist auch der Grund, warum ich kein so fanatischer Trekkie bin. Die Macher von Star Trek haben eigentlich zwei Sachen physikalisch super und völlig richtig gemacht. Die eine ist der Warp-Antrieb. Den haben die erfunden, um die Tücken der Relativitätstheorie auszuschalten, denen man normalerweise begegnen würde, wenn man sich sehr schnell durchs Universum bewegt, um diese gigantischen Distanzen zu überbrücken. Das war ein genialer Schachzug – auch physikalisch. Die zweite ist das Beamen. Dass man die Crew aus einem Raumschiff einfach auf die Oberfläche eines Planeten bringt, ohne dass da irgendwelche Vehikel hin- und hergeschickt werden müssen. Denn das Landen auf Planeten ist gar nicht so einfach, wie wir wissen. Überlegen Sie nur, wie groß Raketen sind, nur um in so eine kleine Umlaufbahn zu kommen. Das war gut gemacht. Es hat der Serie Flexibilität ermöglicht und es sind physikalisch gesehen zwei spannende Vorgänge, von denen wir wissen, dass sie prinzipiell, was die Naturgesetzte angeht, zwar gehen würden, aber rein technisch mit hoher Wahrscheinlichkeit nie umgesetzt werden können. Wie sehr spornt die Fantasie von Sci-Fi-Autoren wie Gene Roddenberry die heutige Wissenschaft an? Da gibt es ganz viele Beispiele, gerade bei Star Trek. Wenn Sie sich die Technologie von Next Generation, also der Serie aus den 80er-Jahren, anschauen: Die laufen da mit so kleinen, dünnen, flachen Bildschirmen rum. Da bin ich mir absolut sicher, dass das die Blaupause war für unsere heutigen Geräte, die Tablets. Das war damals reines Wunschdenken, und es ist kein Wunder, dass wir heute so weit sind, diese Dinge technologisch zu entwickeln. Ein 6 Sommersemester 2016

I N T E R V I E W „Physiker ist man ja sowieso den ganzen Tag.“ Metin Tolan: Professor für Experimentelle Physik in Dortmund und Star-Trek Fan. Foto: TU Dortmund weiteres Beispiel, was die Physik angeht: die Tarntechnologie. Die Crew kann die Enterprise tarnen, da kann man dann durchgucken. Wir können mittlerweile Flugzeuge gegen Radarstrahlung tarnen. Aber es gibt auch Umsetzungen von technologischen Materialien, sogenannten Meta-Materialien, mit denen wir tatsächlich auch im sichtbaren Licht Stoffe tarnen können. Und zwar so, dass das Licht um den Stoff herumgeführt wird und dahinter wieder zusammentrifft. Die Star-Trek-Technologie hat da zu dem Wunsch geführt, dass es toll wäre, etwas unsichtbar zu machen. Oder: Der Communicator, also ein kleines Gerät, das in die Hand passt und mit dem man sich mit allen anderen auf dem Planeten unterhalten kann. Das war 1966 ein fantastisches Gerät, heute sagen wir Handy dazu. Und wir mussten keine 200 Jahre warten, bis es erfunden wurde. Welche Technologien sind denn hingegen stehen geblieben? Die Antriebstechnologie hat sich zum Beispiel in den letzten fünfzig Jahren kaum weiterentwickelt. Viel weiter als bis zum Mond sind wir nicht gekommen. Wir fliegen zwar jetzt in größerer Zahl durch die Luft, aber nicht schneller als früher. Bei der Bahn hat man sogar das Gefühl, die ist noch langsamer geworden. Meistens sind es physikalische Grenzen, die dafür sorgen, dass sich alles nicht gleich schnell entwickelt. Sommersemester 2016 „Das war 1966 ein fantastisches Gerät, heute sagen wir Handy dazu.“ Kann man als Physiker eine Sci-Fi-Serie gucken, ohne sich zu fragen, ob das wohl machbar ist? Ach ja, Physiker ist man ja sowieso den ganzen Tag. Wenn im Fernsehen wieder irgendein Unsinn produziert wird mit Zahlen, dann ist man als Physiker sofort dabei, diese Zahlen zu überprüfen. Deswegen ist man ja Physiker geworden. Man geht der Natur gerne auf den Grund und glaubt Behauptungen selten einfach so. Aber auch ein Physiker findet eine gut gemachte Geschichte wichtig. Und die ist bei Star Trek gut, dazu kommen eben noch die Sahnehäubchen mit der Physik. Deshalb spricht die Serie in überproportionaler Zahl Physiker und Naturwissenschaftler an. Was wird Ihr nächstes Buchprojekt? Das ist eine gute Frage. Jetzt habe ich dieses Buch geschrieben, und nach jedem Buch bin ich zunächst mal erschöpft. Ich schreibe diese Bücher neben meinem normalen Beruf, das ist ein Hobby. Deshalb ist erst mal nichts weiter in meinem Füllhalter. Aber es gibt noch ein weiteres Leib- und Magenthema von mir. Das habe ich schon zu Physik verarbeitet und es kommt ständig in meinen Vorlesungen vor: Ich bin ein großer Fan von Stan Laurel und Oliver Hardey – Dick und Doof. In den Filmen gibt es auch sehr viel Physik… Das wäre doch mal außergewöhnlich... Das wäre es. Aber: Dick und Doof sind ja nicht mehr so häufig im Fernsehen zu sehen … Übrigens: Die Einnahmen meiner Bücher fließen in einen gemeinnützigen Verein, der Stipendien für unsere Physikstudenten daraus generiert. Deshalb kommt es mir auch immer etwas darauf an, dass sich die Bücher verkaufen. Wir unterstützen mit den sogenannten Deutschland-Stipendien immer unsere besten Studenten. Ich will den Erfolg eines Buches aber auch für mich selbst. Wenn man da so viel Zeit reinsteckt und es dann nur drei Leute kaufen, ist das ja auch irgendwie doof. Irmine Estermann 7

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