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coolibri CAMPUS No 04

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D E P R E S S I O N I M

D E P R E S S I O N I M S T U D I U M E i n s c h l e i c h e n d e s G i f t 16 Wintersemester 2016/17

D E P R E S S I O N I M S T U D U M Zukunftsangst ist vielen Studenten nicht fremd. Was aber, wenn aus den oft belächelten und dann mit Bier begossenen und wieder vergessenen Ängsten ein Gift wird, das anstatt eines harmlosen Katers eine ernste Krankheit mit sich bringt? Ina A.*, Studentin aus dem Ruhrgebiet, berichtet von ihrem Weg in die und durch die Depression im Studium. …das schöne Studentenleben! Jung sein, feiern, schlafen bis in die Puppen, den Spaß seines Lebens haben. Nebenbei noch ein bisschen akademisches Wissen abgreifen, als Grundstein für eine steile Karriere mit besten Verdienstmöglichkeiten, als Sprungbrett in ein tolles Leben. So stellt man sich das vor. Klar, alles hat seine negativen Seiten: Pauken bis der Kopf qualmt, nicht bestandene Prüfungen oder der schlimmste Kater seines Lebens. Doch was, wenn das nicht die größten Probleme sind? Wenn die spaßige Seite des Studiums immer mehr überschattet wird von… ja, was eigentlich? Das war mir anfangs nicht klar, aber irgendwann lief etwas gewaltig schief mit meinem Studentenleben. Doch von vorne. Mein Studium ist mir nicht schwer gefallen, gute Noten waren mit einem minimalen Aufwand erreicht, interessant war es auch und um mich herum viele nette Leute. Ich konnte mir meine Zeit frei einteilen, gerne eine Drei-Tage-Woche, nicht zu viele Seminare und auf jeden Fall nur solche, die mich interessierten. Objektiv betrachtet ein wirklich entspanntes Studium. Das Problem war, dass ich nicht entspannt war. Irgendwann kroch Angst in mir hoch. Erst als dumpfes Gefühl, irgendwann als lauter Schrei: „Du findest nie einen Job! Du wirst nie Geld verdienen mit dem was du tust! Du kannst nichts!“ Erst bezog sich die Angst auf die Zeit nach dem Studium, aber Angst ist ein schleichendes Gift. Schnell war der Punkt erreicht, an dem mich alles mit Angst erfüllte. Verdrängen konnte ich aber seit jeher gut, also verdrängte ich die Angst, so gut es ging. Trotzdem kam die Leichtigkeit nicht wieder. Plötzlich waren alle Tage wie eine von diesen Postkarten, mit dem Schaf und dem „Alles ist doof“-Schild. Das trifft es ziemlich genau. Alles war doof, nichts machte Spaß. Und trotzdem habe ich viel gelacht, es soll ja schließlich keiner merken, man lebt ja ein lustiges Studentenleben. „Hi, wie geht’s dir?!“ – „Hahaha – gut!“, und innerlich krampft sich alles zusammen. Ein gutes Semester lang war das meine Strategie, nach außen hin strahlen und lachen und dann schnellstmöglich nach Hause und die Decke über den Kopf ziehen. Überrollt von der Zukunftsangst war irgendwann der Punkt erreicht, an dem ich es fast nicht schaffte, morgens das „Irgendwann kroch Angst in mir hoch.“ Bett zu verlassen. Aufstehen? Leute treffen? So tun, als wäre man fröhlich? Unmöglich! Mir dämmerte, dass es so keinen Sinn macht, eine Klausur zu schreiben, also musste ein Krankenschein her. Dem folgten mehrere Gespräche mit meinem Hausarzt und plötzlich hatten die kriechende Angst und die Schreie in mir drin einen Namen: Depression. Wow, sowas kann man kriegen? Mit Anfang 20 und mit Studentenleben? Wo einen doch eigentlich nichts bedrücken sollte, außer Kater, die drohende Deadline der Hausarbeit oder eine verpatzte Klausur? Ja, scheinbar kann man das. Mein Hausarzt hielt eine Gesprächstherapie für angebracht. Es wurden sämtliche Psychologen der Umgebung abtelefoniert und erwartungsgemäß waren die Wartelisten endlos. Ob ich mir die Therapie auch stationär vorstellen könnte? Äh, klar, mir egal. Ist ja eigentlich alles egal. Und so fand ich mich drei Tage später in einer psychiatrischen Klinik wieder. Echt wahr, mit Anfang 20 in der Klapse! Im Nachhinein war das der beste Weg für mich. Zunächst einmal wurde die Dosis der Antidepressiva erhöht. Das war erst angenehm — emotional in Watte gepackt gibt es keine Aufreger oder Katastrophen. Man kann alles einfach hinnehmen. Ein Dauerzustand konnte das aber nicht werden, denn es fehlen auch die positiven Emotionen. Als ursprünglich fröhlicher Mensch war mir irgendwann klar, dass die Tabletten wieder weg müssen. Ich beschloss, dass ich diese Krankheit schnellstmöglich wieder loswerden muss. Denn Depression, das habe ich in der Klinik als erstes gelernt, ist eine Krankheit, kein Schicksal, an das man zeitlebens gebunden ist. Und es ist keine unheilbare Krankheit. Es folgten Einzelgespräche, Gruppengespräche, Maltherapie, Bewegungstherapie, ein straffer Zeitplan und feste Abläufe. Aus ursprünglich geplanten vier Wochen wurden sechs. Aber diese sechs Wochen waren gut investiert, auch wenn ich das angebrochene Semester abschreiben konnte und später hinten anhängen musste. Ich will das nicht schönreden, das war eine der miesesten Phasen meines Lebens, aber es war eben nur eine Phase. Zum Glück! Die Universitäten im Ruhrgebiet bieten für Studierende kostenlose psychologische Beratung an. Dazu gehören Einzelgespräche und Coachings, die Vermittlung von Selbsthilfegruppen und Workshops oder Unterstützung beim Erkennen der eigenen Probleme und dem weiteren Vorgehen. Informationen finden sich auf den Homepages der Unis. *Name von der Redaktion geändert Wintersemester 2016/17 17

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