KUNST Blickindie Ausstellung „Wir sind vonhier“. Foto: Ruhr Museum, Andrea Kiesendahl Gemeinsame Erzählung Die Sonderausstellung „Wir sind vonhier.Türkisch-deutsches Leben 1990.Fotografienvon ErgunÇağatay“des Ruhr Museums aufdem UNESCO-WelterbeZollverein gibt Einblick in dietürkisch-deutschen Lebenswelten dererstenund zweitenGeneration türkeistämmiger Migrant:innen. 40 1990 war einSchlüsseljahr in derdeutschen Geschichte. DiealteBRD befand sich in derAuflösungund begann damit, sich in einanderes Deutschland zu verwandeln,das durch diefremdenfeindlichen,rassistischen Anschlägen unteranderem in Hünxe undSolingenAnfangder 90er-Jahre schwer gezeichnet wurde.Zudemstand 1990 derdreißigste Jahrestag desAnwerbeabkommenszwischen derBundesrepublik Deutschlandund derTürkeibevor –jenes kurze, zweiseitigeDokument, dasab1961die Entsendung vonArbeitskräften regelteund in seiner Langzeitwirkung von großer Bedeutung war.Andiesemneuralgischen Moment anno1990 brach in Paris dertürkische Fotograf Ergun Çağatay in derberühmten FotoagenturGammaauf,umseine LandsleuteinDeutschland zu fotografieren. „Eslag etwasinder Luft“,merkteProf. HeinrichTheodor Grütter, Direktor desRuhrMuseums undMitglied desVorstands derStiftungZollverein, bei seiner Einleitung zur AusstellungimRahmender Eröffnungan. Zwischen Mauerfall undWiedervereinigung, als sich diepolitischen Kräftewie in einemSchwebezustandbefanden, richtete Çağatay seine Kamera aufTürkeistämmigejeden Alters in Einzel-und Gruppenporträts, beiihrer Arbeit undihren Familien zu Hause, bei Festen,Kulturveranstaltungen undVersammlungen in den Moscheen. Er machteAufnahmen vonJugendlichen oder begleitete eine Demonstration gegendas neue Ausländergesetz, denn auch die immer noch anhaltende Diskussion um Mitsprache undgesellschaftliche Teilhabe von Minderheitenimwiedervereinigten Deutschland nimmt hier ihrenAnfang.Sein Projektführte ihnvon Märzbis Maierst nach Hamburg, dann nach Köln, Werl,Berlin undschließlich auch nach Duisburg.Dortbetritt er eine ihm bis dahin fremde Welt,die untertägige Welt eines Steinkohlenbergwerks, wo der Kohlenstaub Unterschiede aufzuheben scheint.Ernimmt ebenfalls die Gelegenheit wahr,das private Umfeld der Arbeiterund ihrer Familien zu erkunden.Erfotografiertauf Straßen und in Hinterhöfen der Bezirke Walsum undHamborn undbesucht drei Familien zu Hause. Insgesamt entstanden 3500 Fotografien ausArbeitswelt,Gemeinschaftsund Familienleben, von denenknapp 120 eindrucksvolleBilder in der Ausstellung zu sehen sind. Im Zentrum steht eine großformatige Präsentation mit 32 Motivenaus allen fünf Städten, dieeineEssenz der Ausstellung darstellt.„Nie zuvor wurde dasThema destürkischenLebens in Deutschland in solcher Breite und so facettenreich fotografischdokumentiert“, so Prof.HeinrichTheodor Grütter.„In seinerumfassendenReportage wirft Çağatay eineninteressiertenBlick aufdie Welt dertürkischenMigrant:innen undzeigtauch,wie dietürkische Einwanderung Deutschlandverändert hat.“InachtVideo-Interviewskommenzudem Persönlichkeiten verschiedenerGenerationenaus unterschiedlichengesellschaftlichen BereichenzuWort. ZurBedeutung undNotwendigkeitder Ausstellungbetonte Staatsministerin Michelle Müntefering, dieauch Schirmherrin derSchau ist, beider Eröffnung: „Demokratiebraucht Gesetzte,aberauch eine Erzählung“. Denn: „Durch dieGeschichten undErfahrungen derMenschenbekommt Zuwanderung einGesicht,besser gesagt:viele Gesichter.“Dabei richtetdie Ausstellungnicht nurden Blick zurück,sondern eröffnet angesichts weiterhin geschürter Dualitätenwie „ihr“ und„wir“ diezwingende Gelegenheitdie Gegenwartzubewerten–60 Jahrenachdem Anwerbeabkommen. sr Wirsindvon hier.Türkisch-deutsches Leben1990. Fotografienvon Ergun Çağatay:bis 31.Oktober 2021,Ruhr Museum,Essen;ruhrmuseum.de
KUNST Theo Triantafyllidis: GeniusLoci, 2021;Interactive AugmentedReality Experience Foto: Theo Triantafyllidisdahl Wirklich? Eine Openair-Ausstellung mitvirtuellerKunstimöffentlichenRaum–das NRW-Forum Düsseldorfist Ausrichter derweltweit ersten AugmentedRealityBiennale. Einhalbes Jahr lang werden der Ehrenhof und derangrenzende Hofgartenzum digitalen Skulpturenpark.20internationale Künstler:innen haben eigens für dieseOrteAR-Arbeitenentwickelt. ErinnertsichnochjemandanPokémon Go?ImSommer2016war das SpieleineArt Volkssport derjuvenilen Bevölkerung. Menschenmassen versammeltensichansogenanntenPokéstops,umauf ihrenHandysin realer Umgebung virtuelleMonster zu jagen. In Düsseldorfmusstedie Giradet-Brückeüberdem Kö-Graben aufgrund desAndrangszeitweisefür denVerkehrgesperrtwerden. Weltweit wurde dieApp mehr alseineMilliarde Malheruntergeladen. Pokémon Go istwohldas prominentesteBeispielfür „Augmented Reality“ (AR), zu Deutsch„erweiterte Realität“:Einecomputergestützte Technik ergänzt diewirklicheWeltumvirtuelle Inhalte wieTexte,BilderoderVideos.Der Nutzer nimmt dabeiseine realeUmgebungwahr underhältlive zusätzlicheInformationen, aufdie er zugreifen kann.Diese Interaktivität in Echtzeit istdas zentrale Elementder AR. Fürzeitgenössische Künstler:innen istAugmented Reality aktuell eines derinteressantestenFormate. „Die erweiterte Realität isthybrid, neuartig undsehrkünstlerisch“, sagt Alain Bieber,Künstlerischer Leiter desNRW- Forums.„PhysikalischeGrenzen werden aufgehoben undman siehtDinge,die real nichtexistieren könnten.“ Mitder weltweit ersten AR Biennale bietet dasNRW-Forum derinnovativen KunsteinePlattform.ImzweijährigenTurnus wandeln sich Ehrenhof und Hofgartentemporär zum digitalenSkulpturenpark, dendie Besucher:innenmit ihremSmartphone oder Tablet erkunden können: Eine Appprojiziertdie virtuellen Arbeiten in dietatsächlicheUmgebungund macht sie aufdem Endgerät sichtbar. ZumKonzept desProjektsgehörtseine Organisationdurch wechselnde Kurator:innen; denAnfangmacht Alain Bieber.Für diePremiere, dievom 22. August bis20. Februar2022zusehen ist, hater20internationale Künstler:innen eingeladen,AR-Werkespeziellfür denAusstellungsortzu entwickeln.Themensindunter anderemneueKommunikationsformen, Nachhaltigkeitsowie Naturund Körperlichkeit im Digitalen. Besucher:innenhaben dieMöglichkeit, spielerisch dieGrenzen zwischen analoger und virtuellerWeltzuerforschen. DieOption, direkt mitden Werken zu interagieren, eröffnet eine neue Beziehungzwischen Mensch,Kunst undUmwelt. Gelegenheitzur KommunikationliefertLaurenLee McCarthy aus denUSA, diedie BänkeimHofgarten mitvirtuellenStatementsmarkiert.EineARgestützte Visualisierung derLuftqualitätbietetdas LondonerStudio Above&Below undfür dieSchachtischeander Inselstraßehat dasKollektiv Keiken eininteraktives AR-Spiel entworfen.Eingebundensindauch Absolvent:innen dernahen Kunstakademie. TimBerresheimschickt einenvirtuellenDiebinden Kunstpalastund LuisaClement,Meisterschülerin vonAndreasGursky,hat sich mittelsARselbstgeklont. FürtänzerischeAR-Performancessorgt dieKooperation mitdem BallettamRhein:ImPark geistern Tänzer:innen herum, dieauf denmobilen Endgeräten als „virtuelle Feen“erscheinen. Ergänzt wirddie AR-Biennaledurch Satellitenprojekte in Essenund Köln,woDavid Lobser (USA)MengXuan Sun (China) undCibelle CavalliBastos(Brasilien) ihre Arbeitenzeigen. BK AR Biennale: 22.8.–20.2.2022, NRW-Forum, Ehrenhof &Hofgarten; nrw-forum.de 41
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