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August 2021 - coolibri

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INTERVIEW Radikal

INTERVIEW Radikal positiv Querbeat sorgen stetsfür guteLaune. Fotos (2): Moritz Mumpi Künster Sie kennen sich seit über 20 Jahren. Ein Großteil vonQuerbeatwar gemeinsam bereits in einer Schülerband auf einem Gymnasium in Bonn. Zwei Dekaden hatesgedauert,bis sich dieGruppe aus aktuell 13 Musiker:inneneinen dermaßen großen Namen gemacht hat, dasssie 25.000 Tickets fürihr eigenesFestival„Randale &Freunde“ verkaufenund die Lanxess Arena in Köln voll bekommen. Mit „Radikal Positiv“steht seit wenigenTagen dervierteLongplayer in den Regalen undauf sämtlichen Streamingplattformen bereit.Christopher Filipecki sprachAnfang Juli mitFrontmann undSänger Jojo Berger. Albumrelease,erste Konzerte nach langer Pause–wiefühlt ihreuch? Wirhaben gerade wieder einbisschenSchwung aufgenommen. Jetztwar anderthalb Jahre Ebbe aufunseren Instrumenten,dadas letzte lange KonzertNovember 2019 war. Aber derBühnendurstkommt gerade wieder in denMund. Wirhaben richtigBock. Dadurch,dasswir 13 Leutesind, könnenwir nichtwie einSolo-Singer/Songwriter während Corona proben,sondern mussten über Zoom unsere Meetings anhaltenund konntenuns seltentreffen.Esgab auch richtige Pläne,wie manambestenimStudio Songsaufnimmt. Da wir auch alleschon so langebefreundetsind, freuen wiruns auch,uns einfachzusehen undgemeinsam Musikzumachen. „Radikal Positiv“ klingt wieein Gegenentwurfzur Corona-Tristesse! DerTitel standtatsächlich schonvor Corona fest.Bei unsist es oftso, dass nach einemAlbum undeiner Tour derTitel unddas Gerüststeht, wo dernächste Schritt hingehensollte. Insofernstand derTitel auch schon 2019 fest.Stattdessen haben wir denTitel eher mitLeben gefüllt. Dasses nunauch einGegenentwurfseinkann,findenwir garnicht so schlecht, weil natürlich auch eine gewisse radikale Positivität einenMenschenbessermacht.Wer radikalpositiv denkt,kann keinQuerdenker,Nazi oder böserMenschsein, sondernfängt an,seine Mitmenschenzumögen.Diese positive DNAist auch in unsererBandund in unserenStories,die wir erzählen. Wiewar dasAufnehmen währendder Pandemie? Wirhaben unsere Plattenfirmatotal irritiert.Normalerweise sind wir Vögel, dienah an Deadlines arbeitenund haben zwei Wochen vorAbgabeRiesenrandale. BeidiesemAlbum hatten wir aber einbisschenmehrZeit. Am Anfang dachtenwir,dassdas garkeinVorteil ist, mehr Zeit zu haben,dawir normalerweisedie Songsnah am Zeitgeistschreiben.Nichtsist älterals dergeradeveröffentlichte Song.Somit istesvon Vortei,nah am Release denSongzuschreiben.MehrZeitzuhaben,hat sich erst im Nachhinein als positivherausgestellt. So konntenwir Songsmal liegenlassenund nochmalüberlegenund später drin eintauchen,was es authentischer macht.Dawir alles selbst machen, alsosowohl Produktion, Aufnahme 28

INTERVIEW undalles weitere, haben wir trotzZeitmehrmals dieerstenTakes genommen, weil manesdadann am intensivstengefühlt hat–wir sind alsoeine Band,die Sachen eher nichtzerdenkt. Ichhätte trotzdem niegedacht, dass ichmal sage,dasswir anderthalb Jahrefür einAlbum gebrauchthaben, sonstwar immer zwei bisdreiMonateVollgas,Kamikazeund Bock. Wirhattenerstelf Songs, haben aber 13 zurVeröffentlichungangekündigt –und so sind dann auch zwei SongserstganzamEnde wieder entstanden.OhneDruck draufkönnen wir anscheinend nichtrichtig arbeiten. Ihrseidbei diesem Albumdas ersteMal 13 statt15Bandmitglieder.Merkt ihreinen Unterschied? In erster Linieschmerztdaeigentlich diemenschlicheGeschichte. Das sind halt Freunde,die dieBanddaverlassen. Verständlich istesabernatürlich, dass mansichberuflich anders entwickeln möchte. Wir haben aber trotzdem zum Glückgenug Energie, weiterzumachen. Musikalisch istes tatsächlich eine Umstellung.Esist beiuns nichtso, dass dann einfacheineTrompeteweniger da ist, jederhat seine Funktion. Das istaberauch oftbei kleinerenAuftritten schwierig, wenn wirzum Beispiel beim Radiospielen undzu sechst sind,dann müssendie Songsumarrangiertwerden, um noch für unsrichtig zu klingen. Im Studio istdas einfacher, weil wiralleseinzeln aufnehmenund es da nichtsostark merken.Aberwir sind jetzthaltdie „Wilde 13“und sind damitfein. Wiehabtihr das überhauptgeschafft,solange so vieleLeute für dasgleicheProjekt zu begeistern? Auch da passtder Albumtitel wieder!Wir haben als Schülerband im Jazz angefangen undallediese „erstenMale“ miteinandererlebt. Erste Diskoabende,man kenntalleExfreunde,Saufgeschichten.Dadurch sind wiralle aufeiner Ebene, müssen auch garnicht PolitikoderGeschmackdiskutieren. Besondersder Geschmackhat sich gemeinsamgeformt.Außerdem gebenwir jedemdie Chance, malauszubrechen, wasviele Bands nicht schaffenodernicht können,weilsie viel wenigerMitgliederhaben.Dann mussebeneiner malein halbes Jahr nachSpanien oder ziehteineZeit nach London,umdann mitmehrInput undKreativität zurückzukommen. Wirsindimmer in Bewegung, keinstarresKonstrukt undhattenauch Sitzfleisch. Am Anfanghaben wir an jederfuckingLaterne in unseremHeimatkaff gespielt, derWeg bisheute war ultralangund ging erst in denletzten drei,vierJahrenrichtig steil. Dasswir aber auch vorzweiLeutenfunktionieren können,nimmt denDruck raus undmacht gelassen.Wir haben immerBockund selten Angst. Und so „lawinte“man sich vonAnekdotezu Anekdote undnun zum21-jährigen Bandjubiläum. Wiegehtihr mitdem stetig steigendenErfolgum? Genuss oder Druck? Wenn man3000Tickets in zehn Minutenverkauft,ist dasschon irgendwieheftig, aber auch eine Artvon LiebeinZahlen.Wir haben Demutvor der Zeit,die Leutefür unsinvestieren.Wennzum BeispieleineGruppevon fünfLeuteneineWhatsapp-Gruppegründet, sich überlegt,wannsie wo zu welchemKonzert gehenund dann dafür gucken,wann dieTickets in den Vorverkauf gehen. Oder auch wenn 4000 Hamburgerfür unsKölner zur Show kommen.Man fragtsich, wiedie alleauf unsaufmerksam wurden undwarum wireswertsind, dass dieuns einenFreitagabendschenken. Sowasmotiviert uns. Jeder, deruns kennt, weiß,dassuns scheißegalist, ob dasAlbum aufPlatz 1oder100 einsteigt. Wenn aber eine Mail kommt, in dersteht,dassein Song vonuns dieLaune vonjemandemgebessert hat, istdas einfachdie besteBestätigung, dass wir irgendwasrichtig machen. Ihrhabteinen Jazz-Awardgewonnen, ihrhabt WurzelnimKarneval, euer Albumklingt nach Ska, Reggae,Pop und Punk –wosehtihr euch? Wirsindtatsächlich viel.Wir haben viel Latin-Zeugsund Skagemacht,wodurchwir dann auch in denKarneval kamen, weil es dortsolosgelöstund voller guter Launeist.Darüber hatessichdann weiterentwickelt.Lustig aber:DassQuerbeatnicht dasgeilste Wortspielder Welt ist, wissenwir selbst,haben wir unsaberebenals gerade englisch lernende Kids ausgedacht. Wir dachtensooft,wir müssenuns unbedingt umbenennen, hatten dann aber keineZeit, unswas Besseres zu überlegen. In einergewissenCoolness- Phasefindetman denNamen dann auch richtig scheiße undwill nurnochohneNamen auftreten. Wenn manaberRuhehat unddie Bandgeschichte erzählenkann,passt derNameQuerbeatmegagut, weil wir Genresübereinanderlegen. Jederhat auch beiGenresein anderesGefühl. Dereinefindetespoppig, derandererockig, einanderer sagt,esist Ska. Wirsinddafreivon Wertung, jederdarfuns sehen, wieeruns eben sieht. Wieklingt denn fürdichdie neuePlatte? Hastdu Lieblinge? Es istschwierig beidem eigenen Albumauszusteigen unddarüber vonaußen zu sprechen.Esist aber supervielEhrlichkeit drin undviele Stories. Wirzeigen unsmusikalisch experimentierfreudiger. Es istfastalles Brass. Wirprobieren ja immermit unserenInstrumenten, gewisse Styles zu machen.BeimIntro zu „Früherwirdalles besser“denken alle, dasIntro wäre Gitarre,dabei istesein Bariton-Saxophon miteinem Gitarreneffektgerät.Wir haben beidem AlbumvielmehramSound gearbeitet, um es wiedererkennbarerzumachen.Das istauch das, waswir wollten. Nichttraditionelldaherzukommen,sondern zu überraschen, sodass mannicht jedenSongbeimerstenHörentotal kommerziggeilfinden muss, stattdessenman es lieber drei-, viermalhört, bisman es liebt. DerSound istunglaublichenergiegeladen.Seid ihrselbstsoEnergiebomben? Wir sindtotaleOptimisten, sonstgäbeesuns nichtmehr. Wenn manLeutenFreiräumegibt, istdas aufder anderenSeite auch wieder Stress.Wenn drei fehlen, kann manAuftritte nichtspielen undalleanderen müssenein wenigunfreiwilligherunterschalten. Aber wir wusstenimmer,dassesirgendwiewiedergeilwirdund wirgemeinsam weiter Musikmachenwollen, egal wo.Wir haben unsaberbei „Radikal Positiv“ auch einbisschenkonzeptmäßiggedacht,dasswir nichtnur beschreiben,sondern auch Antwortengeben wollen.Bei demSong„Tanqueray“gehtesumDigital Detoxund um’s ständige Vergleicheninden sozialen Kanälenmit anderen. Das ist aber erstmalnur beschreiben.Allefühlenes, aber wo istdie Antwort? Deswegensagen wir: Nimm dir‚nenDrink, schau aus demFenster,daist dasechte Leben. Du brauchst keinen Filter,guck einfachmal!Jeder kennt diesealten Senioren,die vonmorgens bisabends aus demFenster gucken undalles kommentieren,trotzdemsehen sieaberVerliebte unddas, waswirklichist.Umebennicht nurinderbeschreibenden, negativenWelt zu bleiben,probieren wir immer,einePointemit dabeizugeben. Gibt es Ziele, wo es noch hingehen soll? Wäredie Coronabremse nichtgewesen, hättenwir wohl gesagt,wir sind ziemlich happy. EinfachschöneFestivals spielen. Das Gute an unserem Statusist,dasswir nachmittagsauf einemgroßenFestivalspielen dürfen, kurz nach unsdie internationalenHeadliner,die wirselberlieben, dran sind undwir unsdie trotzdem entspanntmit einemBierangucken können. Wenn wir dieChancenochmal kriegen, sind wirschon glücklich. Aber natürlichhaben wir Bock irgendwann aufdem Glastonburyzuspielen. Und wenn wir da waren, fälltuns wasNeuesein. 29

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