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August 2017 - coolibri Düsseldorf und Wuppertal

INTERVIEW Süßes oder

INTERVIEW Süßes oder Saures Foto: Lina Niermann Am 26. August geht der Düsseldorfer Büdchentag in die zweite Runde. Dieses Jahr beteiligen sich rund 30 Trinkhallen und stellen in Eigenregie ein buntes Musik- und Kulturprogramm auf die Beine. Lina Niermann sprach mit Christian Düchtel (39), einem der Initiatoren, über seine Vergangenheit als DJ und Journalist, die Büdchenkultur Düsseldorfs und seine Vorliebe für Süßigkeiten. Vom DJ zum Projektmanager, wie kam das zustande? Ehrlich gesagt habe ich in den letzten 20 bis 25 Jahren vieles gemacht. Mit 16 fing ich an als DJ zu arbeiten und Platten aufzulegen. Das lief immer nebenher und das mache ich auch heute noch. Nach der Schule habe ich Germanistik und Kommunikations- und Medienwissenschaft studiert. Erst wollte ich in Richtung Journalismus gehen, war acht Jahre beim Uni- Radio und habe drei Jahre bei der Mittelbayerischen Zeitung gearbeitet. Das war richtiges Tagesgeschäft. In der Lokalredaktion in der Nähe von Regensburg übernahm ich alles Mögliche bis hin zum Interview mit dem Kaninchenzüchter. Zu meinen Aufgaben zählte auch die Betreuung einer Jugendseite. Mitte der 90er hatte ich das Glück, dass die komplette Hip Hop-Szene in Straubing in so einem Club aufgetreten ist. Von Samy Deluxe über Die Beginner bis hin zu Michi Beck von den Fantastischen Vier habe ich dort alle interviewt. Später wurde ich aber doch nicht Journalist, sondern war als DJ und Organisator von Events unterwegs. Die hohe Kultur habe ich schließlich beim Staatstheater Kassel kennengelernt. 2008 suchte der Choreograf Johannes Wieland für die Theaterproduktion „Und raus bist du!“ noch einen DJ. Ich bin da eingestiegen und habe seitdem oft mit denen zusammengearbeitet. So gesehen kenne ich beides: den Underground und die Hochkultur. „Im Büdchen sind alle gleich“ wird und wir beschlossen, die Aktion am gleichen Tag wie im Ruhrgebiet zu machen. Ich bin dann mit unserer Idee ins Kulturamt gegangen und dort waren sie auch sofort begeistert. Daraufhin haben wir die Initiative gegründet. Wer gehört bei euch alles zum Team? Wir haben letztes Jahr mit vier Leuten angefangen: Tom Miller, Sascha Matesic, Christoph Dohmen und ich. Nach und nach haben wir immer mehr Menschen mit ins Boot geholt, die ihre eigenen Ideen einbringen. Mittlerweile sind wir so um die zehn Leute. Wir sind eine Initiative, bei der prinzipiell jeder mitmachen kann. Wie funktioniert der Büdchentag genau? Unser Konzept ist dezentral organisiert und baut auf die Eigeninitiative der Büdchenbesitzer und Kreativen. Wir schaffen den festen Rahmen, in dem alles abläuft, kümmern uns um Genehmigungen, Finanzierung und verwaltungstechnische Fragen, also das ganze organisatorische Drumherum. Darüber hinaus bringen wir die Kreativszene und die Büdchenbesitzer zusammen, eine Vermittlungsarbeit, die wir sehr ernst nehmen. Du kommst eigentlich aus dem Süden, was hat dich in die Düsseldorfer Gefilde verschlagen? Ich bin vor 17 Jahren zum Studium hierhin gekommen und geblieben. Düsseldorf kenne ich allerdings schon aus Kindertagen. Meine Patentante kommt aus Düsseldorf und ich bin bereits als kleines Kind über die Rheinkniebrücke gelaufen. Wie kamt ihr darauf, die Initiative Düsseldorfer Büdchentag zu gründen? Irgendwie stand die Idee eines Trinkhallenprojekts schon länger im Raum, seit etwa Herbst 2015. Wir hatten erst an ein Musikprojekt gedacht, im Sinne von „Auflegen in der Trinkhalle“. Im Frühjahr 2016 sagte dann Tom Miller plötzlich zu mir: „Schau dir das mal an. Im Pott haben sie das Jahr der Trinkhallen ausgerufen.“ Da war uns klar, dass das eine größere Sache 8 Was gefällt dir an dem Konzept besonders? Mir gefällt besonders, dass wir zwar einerseits einen sicheren Rahmen schaffen, der dann aber von den Beteiligten ganz frei gefüllt werden kann. Natürlich haben wir klare Vorstellungen, wohin die Reise gehen soll, aber es ist nichts vorgefertigt. Ich finde es schön zu sehen, wie die Büdchenbesitzer selbst richtig kreativ werden. Das Büdchen am Ende der Volksgartenstraße hatte letztes Jahr zum Beispiel traditionelles Essen aus Sri Lanka am Start. Man muss einfach mal auf die Leute zugehen und mit denen quatschen, da kommen geile Sachen bei heraus. Was wollt ihr mit dem Büdchentag erreichen? Unser oberstes Ziel ist es, die Büdchenkultur in Düsseldorf zu erhalten. Wir wollen die Vielfalt der Stadt zeigen. Im Büdchen sind alle gleich, egal ob

INTERVIEW Professor oder Handwerker. Das Büdchen liefert ein repräsentatives Abbild einer Stadt und bringt die Nachbarschaft zusammen. Dort treffen sich Leute der verschiedensten sozialen Schichten und Altersklassen, vom Kind bis zur Omi. Und das ist auch unsere Zielgruppe. Das Programm soll für jeden etwas Passendes bieten. Wir möchten mit unserem Musik- und Kulturangebot einen Bruch im Alltag bewirken. Die Leute, die sowieso schon unterwegs sind, sollen sich fragen: „Was macht der Typ da mit der Gitarre vor der Bude?“ Und wenn sie dann neugierig stehen bleiben und der Musik zuhören, haben wir unser Ziel erreicht. Gab es im letzten Jahr organisatorische Schwierigkeiten? Was letztes Jahr zum Beispiel nicht funktioniert hat, war die Schnitzeljagd mit Fahrrädern. Geplant war, dass die Leute an verschiedenen Büdchen Aufgaben erfüllen oder sich dort Stempel abholen. Das hat leider nicht so geklappt. Es ist zwar noch nicht ganz spruchreif, aber wir planen das wieder für dieses Jahr. Ansonsten hat es mich gewundert, dass es kaum Schwierigkeiten gab, insgesamt war es echt rund. „Auf jeden Fall weiße Mäuse“ Was ist für dieses Jahr geplant? Dieses Jahr möchten wir erstmals eine haptische Karte erstellen und verteilen. Ein guter alter Stadtplan, mit dem sich die Leute orientieren können und anhand dessen sie erfahren, wo etwas stattfindet. Außerdem wird es, wie im letzten Jahr, ein Videospielbüdchen geben. Sven Linnert von den Konsolenkindern bringt alte Konsolen mit, mit denen die Kids den ganzen Tag zocken können. Am Poetry-Slam-Büdchen werden selbstgeschriebene Texte vorgetragen. Wir haben einen sehr starken Musikfaktor, aber wir wollen auch den Wortpoeten viel Platz geben. Neu ist in diesem Jahr auch, dass einige Kreative und Musiker von Büdchen zu Büdchen fahren werden. Haru Specks will beispielsweise mit seiner Vinyl-Predigt eine Büdchentour machen genauso wie die Typen von Magerquark, die mit ihrem Folk Rap durch Düsseldorf ziehen. Hast du ein Lieblingsbüdchen? Natürlich habe ich ein Lieblingsbüdchen! Meins ist auf der Brunnenstraße und mir gefällt es vor allem deshalb, weil die dort warmes Essen haben. Die Mutti von dem Laden macht das mit ihren Brüdern und steht morgens schon ganz früh in der Küche, um alles vorzubereiten. Da gibt es Mittagsgerichte wie Spaghetti mit Tomatensoße oder ganz einfache Pizza und im Sommer kleingeschnittene Wassermelone und Granatapfelkerne. Jeden Tag richtet die Frau leckere Salate her, aber gut, wer 30 Jahre in der Gastro gearbeitet hat, kann wahrscheinlich gar nicht anders. Durch dieses Büdchen überlebe ich oft den Tag. Hast du vor, am Büdchentag auch selbst aufzulegen? Nein, auf keinen Fall. Mein Part in dem Projekt ist es, Möglichkeiten für andere Künstler zu schaffen. Außerdem könnte ich nicht ruhig hinterm Plattenteller stehen, sondern würde mich die ganze Zeit fragen, ob es irgendwelche Probleme gibt oder ob ich sonst irgendwo aushelfen kann. Und wenn du zum Büdchen gehst, was kommt dann in deine gemischte Tüte? Auf jeden Fall weiße Mäuse, Schaumbananen und Colakracher. Wobei, Schnüre sind auch der Hammer. Ich mag eigentlich alles, nur Lakritz ist nicht so mein Ding. Alle Infos zum geplanten Programm und den teilnehmenden Büdchen gibt es unter duesseldorfer-buedchentag.de. Die Clique des Düsseldorfer Büdchentags vor dem Gerresheimer Bahnhofsstübchen, inklusive Christian Düchtel (hinten, Dritter von links) 9 Foto: Ant Palmer

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