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September 2019 - coolibri Dortumnd

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BLICKPUNKT Das bisschen

BLICKPUNKT Das bisschen Klima... Es ist dasJahr 2019, im Sommer erreichendie Temperaturenüber40Grad, wirbefinden unsimZeitalterdes Klimanotstandes. Über 40 deutscheStädte, etlichedavon in NRW, sind den Aufrufen derDemonstrantenvon Fridaysfor Future gefolgt undhaben denKlimanotstand ausgerufen. Doch wasgenau bedeutet dieser Notstand füreinen Ortund seine Bewohner? Undwie setzen die Städteder Regionihn um? Foto: chuttersnap onUnsplash Als ersteRuhrpottstadtrief Bochum am 6. Juni denKlimanotstandaus –und setzte dazu eine öffentlich einsehbare Resolutionauf ihre Homepage.Diese erklärt denKampf gegenden Klimawandelzur „AufgabehöchsterPriorität“und dass diebisherigenMaßnahmen nichtausreichen,„um dieErwärmungbis 2050 aufdie angestrebten 1,5°Czubegrenzen“. DieseFormulierungenfindensichinjeder Resolutionbzw.jedemRatsbeschluss,die denKlimanotstandfür eine Stadtausruft –mal mehr,mal wenigerexplizit.Grundlage fürdiese Beschlüsse isteine Resolutionder Konstanzer Fridays-for-Future- Bewegung, nach dersichder Ratder Stadtam Bodensee richtete,als er am 2. Maials erster denKlimanotstandfür eine deutsche Stadtausrief.Dem Beispiel folgtenauch in NRWetliche Städte,etwaMünster,Gladbeck, Marl,Herne,Aachen, Düsseldorf, Köln undGelsenkirchen. Diewichtigsten Forderungenaus derwegweisendenKonstanzerResolution: Eine Anerkennung derDringlichkeitder Klimakrise, dasEingeständnis,dassdie bisherigen Maßnahmen nichtausreichen undein Zugeständnis,zukünftigbei allen politischenEntscheidungendie Auswirkungen aufdas Klimazuberücksichtigen undLösungenmit positivemEffektauf denKlimaschutz zu bevorzugen.Zudem soll dieStadtverwaltung,die Öffentlichkeit regelmäßigzudem Themainformieren. 6 Teufel im Detail Klimanotstandist aber keine bindende Maßnahme mitrechtlichen Konsequenzen beiNichteinhaltung, dazu haben dieStadträtereinrechtlich auch garnicht dieMöglichkeit–esist eine freiwillige Selbstverpflichtung.Wie dieseausgelegt wird,wie streng dieZiele ausfallen undwie akkuratsie verfolgt werden,obliegt jederStadt selbst.JederRatsbeschluss istindividuell–und dabeistecktder Teufel oftimDetail. DieStadt Herne zumBeispielformuliertetwas anders als Bochum:Die bisherigen Maßnahmen werden nichtals unzureichend ausgewiesen, stattdessen will man„bisherigeerfolgreiche städtische Klimapolitik“weiterentwickeln. Die Herner Stadtverwaltung will kommunizieren, dass in derStadt bereitsvielamKlimaschutz Proteste für Klimaschutz: Fridaysfor Future gearbeitetwirdund mandiesenWeg weitergehenwill. SchwammigwirdesimBekenntnis dazu,zukünftig beiallen politischenEntscheidungenden Klimaschutz vorneanzustellen.Laut Herner Beschluss ist„dieEindämmungdes Klimawandels (…)bei allen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten“. Keine Verneinung, aber verpflichten willman sich zu nichts.So fehltauch derZusatz, Alternativen mitpositivemEffektauf denKlimaschutz zu bevorzugen. EinKnackpunkt in etlichen derKlimanotstandserklärungen: Bindende Zusagen, politische Prozessekonkretzuverändern,werdenerstmal nichtgemacht.InBochumwill mandie klimafreundlichen Alternativen „wennimmer möglich“berücksichtigen,inGladbecksoll„derKlimaschutzaspektals einwesentlicher undgesonderter Punktbehandelt werden“, in Gelsenkirchenwirderstmal nur„aufklimafreundlicheAlternativenprioritär geprüft“. Ergo:Man will dasThema verstärkt berücksichtigen, im Zweifel soll es aber auch nichtimWeg stehen. In Gelsenkirchen führte daszueinem Eklat. Laut denGelsenkirchener Grünen ist derAntragvon SPDund CDUam11.7. „im letzten Moment“eingereicht worden und zwar als deutlich abgeschwächteVersion desursprünglichenAntrags.GrößterKritikpunkt: DerKlimaschutz werdenicht explizit vorrangigbehandelt undklima- Foto: Fridays for Future Deutschland

BLICKPUNKT freundlicheAlternativenseien nichtbindend zu bevorzugen.Fraktionsvorsitzender PeterTertochanannte denAntragineinem Redebeitrag „windelweich“und eine „Mogelpackung“. Ein wirksames Signal Selbst wenn diepolitischen Konsequenzen einerKlimanotstanderklärungschwach ausfallen, istfür dieDemonstranten vonFridays forFuture einandererPunktausschlaggebend:Die Ausrufungist einbreitenwirksames Signal,das dem ThemaKlimaschutz,das sonstgerne vertagt wird,mehrGehör undGewicht verleiht.„Über die Entwicklungsindwir natürlich erfreut“, sagt Samuel Nellessen vonFridays forFuture aus Düsseldorf. „Jedochsinddamitkeineswegsunsere Zieleerreicht –wir haben noch einenzuerfüllendenForderungskatalog!“ Dassdie Politikdie Klimakriseanerkennt undihre Dringlichkeit zugibt, istfür dieDemonstranten einersterSchritt –ihre Proteste sind deshalb noch langenicht beendet, dieArbeitlängstnicht getan. Währendsichmanche Städtenochstreiten, ob siePolitik mitwichtiger Signalwirkung machen oder Symbolpolitikvorantreiben,die nur„schulschwänzende“ Demonstrierende beschwichtigensoll, formuliertDüsseldorfnebst Klimanotstandeineüberraschendkonkrete Zielsetzung: Bis2035will dieStadt klimaneutral werden.Nur noch zwei statt6,6 Tonnen CO2-Emission sollen proKopfpro Jahr ausder Landeshauptstadt kommen. Dazu soll biszum 21.11. ein Konzeptvon derStadtverwaltung vorgelegtwerden. Auch dieMetropole Köln gab ihrerKlimanotstandsausrufungetwas Handfestes mit: Relevante Ausschuss- und Ratsentscheidungenwerden nunmit einerKlimafolgenabschätzungversehen, die explizit darlegt, wie„dieanstehende Maßnahme oder dasProjekt Auswirkungen aufdie Nachhaltigkeitund denKlimaschutz hat“.Was dieAusschuss-oder Ratsmitglieder mitdieserInformationanstellen, istnicht definiert.ÄhnlicheVorschlägewurden in anderenStädten übrigens abgelehnt. Forderungender FFF-Bewegung Anregung trotzAblehnung DerForderung,die Öffentlichkeit in regelmäßigenAbständenüberdie Fortschritteund auch dieSchwierigkeiten im Kampfgegendie Klimakrisezuinformieren,kommenderweil so gut wiealleStädteinihren Beschlüssennach. Wie undinwelchem Turnus bleibt noch offen,auf dieerstenBerichtedarfman aber gespannt sein,dadiese transparent machen werden,was derKlimanotstandwirklich verändert hat–aber auch,anwelchen gewinnbringendenProjekten vieleStädteschon seit langer Zeit hart arbeiten. Dassdiese jahrelangenBemühungennun bagatellisiertwerdenkönnten,veranlasst einige Stadträteinder Region zurAblehnung desKlimanotstandes. Etwa in Witten,wosichFDP VorsitzenderFrank-Steffen Fröhlich gegenüberder FunkeMediengruppewie folgtäußerte:„Mich störtes, wiedie Klima-Debattesprachlich geführt wird–unddasswir so tun, alshättenwir in Deutschland20Jahre überhauptnichtsfür denKlimaschutz getan.“Der BegriffKlimanotstandsei Hysterie undPopulismus.EineAnsicht, dieauch dieEssener FDPteilt, dieinEuropasGrünerHauptstadt 2017 gemeinsammit SPDund CDUdie Klimanotstandsausrufungverhinderte. Undauch in Dortmund lehntman den Notstands-Begriff ab.Uwe Waßmann vonder CDUerklärte daslautRuhrNachrichteninder Ratssitzungzum Themaso: „Wir wollen handeln,statt dramatischeWorthülsenzuplatzieren.“FFF-AktivistSamuelNellessen hältdagegen: „Städtedie meinen,dassdie Lage,inder wir unsbefinden, keinNotstandund derBegriff ‚irreführend‘ ist, sollten maldie Nachrichteneinschalten.Wer nichtsieht,dassjeder vonuns ein kleinesZahnrad in derLösungder Klimakrise ist, verschließtmutwillig dieAugen vorder größtenKriseunserer Zeit.“ Ein ersterSchritt Obwohl derKlimanotstand in Dortmund nichterklärt wurde,einigten sich die Ratsfraktionendortauf diversePunkte,die denKlimaschutz vorantreiben sollen. WieinDortmundwird dank derWelle an Klimanotstandbekundungen in jeder Stadtaktuell über dasThema diskutiert.ObimStadtrat, beim Frisör oder am Küchentisch. Dererste Schritt derFridays-for-Future-Bewegungist alsosooderso nichtunerfolgreich. Ihre Botschaftist angekommen: DieKlimakrise istreal, diebisherigenAnstrengungenreichen beiweitemnicht aus,jetzt istdie Zeit zu handeln. Ohne Einschnittewerden dienötigen Zielenicht erreicht werden –viele Menschen sind schon bereit dafür,vor allem ein großer Teil derjungenGenerationzeigtdieses Bewusstsein. Nunist es Zeit für Politikund Wirtschaft nachzuziehenund Signalen (wie dem Ausrufen desKlimanotstandes) auch Handlungenfolgenzulassen. Mitanderen Worten: Es ist einStein insRollengeraten,der nunviele weitere Tritte braucht... LukasVering Foto: Fridays for Future Deutschland 7

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