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Oktober 2021 - coolibri

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T H E ATE R

T H E ATE R MoerserEnsemblein„DantonsTod“ Fotos (2): Jakob Studnar Mordsmäßige Stimmung „Eswirdblutig“,sodie Begrüßungsworte durch denIntendantenUlrich Greb zur SpielzeiteröffnunginMoers.InGeorg Büchners „Dantons Tod“,Revolutionsdrama, staatsphilosophische Betrachtung und historisches Zeitdokument, rollenbekanntermaßen die Köpfe. Stetsaktualisierbar –imHinblick aufThemenrundumEuropaoderdie Unterschiedezwischenarm undreich –spieltdas Stückinder Endphase derEreignisseder Französischen Revolution. DieHoffnungdes Volks auf VerbesserungseinerLebensbedingungenscheint zerstört. Es gibt eine hölzerne Drehbühne, in derMitte einPlattenspieler, Streichermusik gaukelt Harmonie vor. Darüber schwebteinerechteckige Wand,einzelneBeine werden sichtbar, baumelnherab.Wie in einemMarionettentheater polterndie Darsteller aufdie Bühne, formieren sich als Gruppe zusammen,rangeln miteinander, straucheln wieder,marschierenimGleichschritt, stürzenzuBoden. Werschafft es nach vorne? Undschon sind wir mitten im Stück, dasUlrich Greb aufwenigeRollenzusammengeschrumpft hat. Aufdem Höhepunktder Schreckensherrschaftrevolutionärer Umwälzungengibteskeine Gewinner.Denndas andauernde Morden hatsichverselbstständigt, istsinnlosgeworden: Danton erkennt dies,allerdingszuspät; wiederund wieder versuchterdie Blutpfützen wegzuwischen.SeinWidersacher Robespierre will dieMacht undbrauchteinen Sündenbock, Danton muss weg. Drumherum liefernCamilleDesmoulinsund Louis de St.Justden Zündstoff fürden unweigerlichen Verlaufbis hinzuDantons Festnahme, Verurteilung, Guillotine. GeorgGrohmanns Camilleist eindringlich gezeichnet, als Freund Dantonsspürt er dieGefahr, seineeigeneVerzweiflung wächstmit jedervergehendenMinute. 38 EmilyKlinge(vorne),GeorgGrohmann, Matthias Heße JoanneGläsel istder unterkühlteGegenpart, berechnend,zynisch,ist sie daspersonifizierte Gesetz. Amüsantwie effektvoll wirddas Volk später dargestellt: EinChor aus sprechendenStoffhamstern,der wieein Echo die Stimmen derSchauspieler:innen wiederholt.Auch dasPublikum spielt mit, Danton verteilt gönnerhaft Baguette an diehungrigenMäuler im Zuschauer:innenraum.InMoers übernimmt EmilyKlinge dieTitelrolle. Mitenormer Kraftund Körperlichkeit verdeutlichtsie dasletzte Aufbegehren ihrerFigur,versinnbildlichtaberauch denÜberdruss unddie Ausgezehrtheit desMenschenineiner bewegten Zeit.GegenEndeder Inszenierung kracht siegegendie hintereHolzwand, renntgegendie Drehbühne an,krümmt sich vorder rotierenden Trikolore. RomanMuchas Robespierre ist feingeistigergezeichnet, er leidet leiser undzerbricht langsam. Wieein Hofnarr schiebtsichMatthiasHeßeinverschiedenen Rollen immerwieder insBild: alslüsterneProstituierte,als Geliebte Dantons, als Straßenmob.AmEndeklatscht er Danton eine Tortemit Clownsnasen insGesicht:Hinrichtung als Volksbelustigung, Festbeleuchtung undKonfettikanoneinklusive. Danton,Camille, Robespierre baumeln schlussendlich mitdem Kopf nach unten, dasBlut rinntabwärts,während Matthias Heße „Stille“ schreit,umdie lauter werdende Musik zu stoppen. Gewalt erzeugtGewaltineiner Endlosspirale.Ein starkes Ende. as Dantons Tod, SchlosstheaterMoers,2., 8. &10.10., schlosstheater-moers.de

T H E A T E R VeronikaNickl,Michael Lippold, Marius Huth,Dominik Dos-Reis Saup Bruchmit GewohntemFoto: Michael In der Welt der sozialen Medien gilt es heutzutage aufzufallen undgesehen zu werden. Allewollenetwas Besonderes sein,viele möchtenTrends setzen und anderebeeinflussen.Kaumeiner will einfach nur den Durchschnitt repräsentieren.Dascheint einStück, wieesdie finnischeAutorin SaaraTurunen geschrieben hat, irgendwie ausder Zeit gefallen. In derdeutschsprachigen Erstaufführung „Das Gespenst derNormalität“ geht es um das„lieber Nicht-Auffallen“.Aberwas isteigentlich normal undwer bestimmt dieRegeln? DieAutorin selbst inszeniert ihrStückinden Bochumer Kammerspielen,unterstützt durch dieChoreografin JaninaRajakangas. Das Ergebnis unterhält, machtnachdenklichund reiztoft zumSchmunzeln. Vorden Augender Zuschauerentfaltet sich einganzeigener Kosmos mit wunderbar poetischen,surrealistischenBildern,auf denPunkt genauarrangiertund miteinem durchgehenden musikalischenSoundtrackabgerundet. DiefünfSchauspieler müssenmit wenigenWortenauskommen,dafür stehtumsomehrihre KörperspracheimZentrum.JederSchritt,jedeBewegung, jederBlick stimmt,insgesamt unterliegtalles einerfaszinierendenEntschleunigung.Inden nahtlosineinanderfließendenEinzelszenenlernenwir eine FamilieMustermann kennen,Mann,Frau, zwei Kinderineinemspießigen Wohnzimmer (Michael Lippold, Veronika Nickl, MariusHuth, Dominik Dos-Reis). „Normalität“ istgewünscht,allerdingswirken dieseDurchschnittsmenschenirgendwieleblos,erstarrtund eingeengt. Nach undnacherleben wir dieSchauspielerinverschiedenen Rollen: AlsBrautpaarbei derHochzeitsfeier, als EhepaarbeimTherapeuten,als Passanten aufder Straße.Ineiner SzenewirdeineFahnegehisst,aberstatt einerFahnethrontobeneineUnterhose.Und immer wieder tauchen Tierköpfeauf,es gibtVogelprojektionen oder Federn,die statt Schnee vomHimmel fallen.Irritationen,die dasNormale merkwürdigverschieben undRituale aufden Prüfstandstellen. DieRegisseurinzeigtuns ihre liebenswertenFiguren in alltäglichen Situationen, undwir freuenuns mitihnen,wennsie eingetretenePfade verlassen: Flamencotänzer, diedie einsameFrauzum Lächelnbringen,oderder Discobesucher, dessen HüftesichplötzlichinungeahnteBewegungversetzt. Niki Verkaartreibtmit ihrergroßartigen Körperbeherrschungals Spanierin oder Albino dieTragikomik aufdie Spitze.Essinddiese unerwarteten Begegnungenund Geschehnisse,die fürberührende Aha-Momente sorgen.Turunen zeigtMenschenvon nebenanmit ihrenkleinen Ausbrüchen undMacken, aber nichtimmer wirdderen Anderssein toleriert: Es gibt auch eine regelrechte Mobbing-Szene,verfremdetdurch Vogelmasken. „Das Gespenst derNormalität“ istein stilles Kleinodineiner lauten Welt,das hoffentlich vonvielenerhörtwird. as DasGespenstder Normalität,KammerspieleBochum,9.&24.10.,schauspielhausbochum.de 39

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