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November 2016 - coolibri Düsseldorf

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K U L T U R N E W S

K U L T U R N E W S „Woyzek“-Szene Foto: Uwe Stratmann Ulla Lenze „Don Quijote“ Foto: Ballett der Tatarischen Staatsoper Kasan Foto: Julien Menand Freunde der szenischen Theaterkomödie lieben sie seit langem: Hilde Ronsberger (Marcia Golgowsky) und Ayse Horozoglu (Lilay Huser) alias „Die Trockenblumen“. Egal ob es um gegenseitige Vorurteile, Spitzfindigkeiten der deutschen Sprache, Aufklärung der Enkelin, die sexuelle Orientierung ihrer Söhne oder die Verlobung von Ayses Tochter Fatma mit einem deutsch-polnischen Anwalt geht, Hilde und Ayse sind selten einer Meinung und zelebrieren mit viel Wortwitz und wunderbarer Situationskomik ihre Freundschaft mit Migrationshintergrund. Am 4.11. zeigen sie in der Lenneper „Welle“ ihr „Best of verflixte Sieben“. Der Wuppertaler Literatursalon im Café Ada geht in die nächste Runde. Torsten Krug und Katrina Schulz haben am 25.11. ab 19.30 Uhr die Schriftstellerin Ulla Lenze zu Gast bei der „Literatur auf der Insel“. Für ihr Gesamtwerk erhielt Ulla Lenze in diesem Jahr den Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft. In der Jurybegründung heißt es: „Ulla Lenze überzeugt in ihren Büchern durch eine poetische Sprache und eine große Fähigkeit, Situationen und Stimmungen präzise und eindringlich wiederzugeben.“ Ihr aktueller Roman „Die endlose Stadt“ über Weltstädte führte sie um die halbe Welt. Seit etwa anderthalb Jahren begegnen Bewohnerinnen und Bewohner des Wuppertaler Lutherstifts auf dem Ölberg jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Ein ungewöhnliches Projekt mit dem Ziel, dass sich Kulturen und Generationen annähern und besser kennenlernen. Der vorläufige Höhepunkt des Projekts sind Fotosessions, die im Wuppertaler TalTonTheater sprichwörtlich über die Bühne gingen. Noch bis Anfang November wird eine Ausstellung mit den imposanten Foto-Ergebnissen in Utopiastadt im alten Mirker Bahnhof gezeigt. Die Projektteilnehmer haben dafür kostümiert Szenen aus Georg Büchners „Woyzeck“ nachgestellt. Die Bewohnerinnen und Bewohner stiegen in originale asiatische und afrikanische Landestrachten; die jungen Leute kleideten sich in Kostüme von den Wuppertaler Bühnen: spätbarocke europäische Kleider und Gehröcke. So trugen die Senioren heutige fremdländische Gewänder und die Jugendlichen altertümliche hiesige Kleidung. „Ein Rollentausch, der alle Mitwirkenden hellauf begeistert hat“, so die Wuppertaler 88 Kulturschaffenden Andy Dino Iussa und Roland Brus, die hier Regie führten. „Die dabei entstandenen Fotos von Uwe Stratmann sind außergewöhnlich und absolut sehenswert.“ Don Quijote zählt zu den beliebtesten Balletten des klassischen Repertoires. Das Ballett der Tatarischen Staatsoper Kasan mit ca. 120 Mitwirkenden wird gemeinsam mit den Bergischen Symphonikern die Geschichte des idealistischen und exzentrischen Ritters auf die Bühne des Solinger Theater und Konzerthauses bringen. Am 25. und 26.11. feiert das Ballett ab 19.30 Uhr den klassischen Tanz, und zwar auf jeder Ebene, ob den Grand pas de deux im Schloss des Herzogs, einen Charaktertanz oder das berühmte pas de deux des Liebespaares Kitri und Basil. Die Ölberger Künstlerin Doris Faassen lädt zu einer interaktiven Ausstellung mit Aktmodell in den Räumen von Hoegens Urbanität in der Marienstraße 23 ein (5.11. 14-20, 6.11. 12-18 Uhr). Anlässlich der diesjährigen WOGA ist das Publikum dazu eingeladen, zusammen mit der Künstlerin und dem Aktmodell Ida Schiele eigene Vorstellungen und Impulse frei nach dem Motto „Was bewegt Dich?“ in kleinformatigen Aktzeichnungen umsetzen zu lassen. Beispielsweise können Interessierte den Wunsch nach einer bestimmten Pose, Gesichtsausdruck oder Darstellung eines Gefühls äußern. Die Teilnehmer nehmen ihr Bild mit nach Hause, haben Zeit für eine persönliche Auseinandersetzung, um sich dann am 27.11. in den Räumen in der Schreinerstraße 31 zu der Abschlussausstellung zu treffen: Dazu sollen sie ihr Bild wieder mitbringen, das zusammen mit den anderen Bildern in der Ausstellung präsentiert wird. „Der Akt als Kunstform ist unverstellt, natürlich, ehrlich, nah aber zugleich lustvoll und sinnlich. Er lässt viele Assoziationen zu, die hier vom Publikum geäußert werden können“, so Doris Faassen, die dabei an die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs „Akt“ im Sinne einer Handlung oder Bewegung und an den programmatischen Titel „Unter der Aktlampe“ vom Vorjahr anknüpft, nur dass sie diesmal nicht ihre malerische Position beleuchtet, sondern die Motive ihres Publikums. Außerdem wird eine Auswahl früherer Arbeiten zu sehen sein. kanimi

K U N S T P O P - U P G A L E R I E K A I 1 0 „Mnemosyne“ Architektur der Erinnerung Eine in Trümmern liegende Stadt - das ist das drastische Bild, mit dem Sigmund Freud seinerzeit die Erinnerung beschrieb. Die Erinnerung wirklich bildhaft zu machen, darzustellen, damit setzt sich das französische Künstlerehepaar Anne und Patrick Poirier seit den 70er-Jahren auseinander. Im Kontext der „Spurensicherung“ mit poetischen Ruinenarrangements hatten die Poiriers weltweite Berühmtheit erlangt. „1974 waren Anne und Patrick Poirier an einer wegweisenden Ausstellung beteiligt“, lautet die Information aus dem Wuppertaler Skulpturenpark, wo ab 29.10. Arbeiten unter dem Titel „MNÉMOSYNE“ gezeigt werden. „Die damalige Schau ‚Spurensicherung‘ im Kunstverein Hamburg und in der Münchner Städtischen Galerie im Lenbachhaus gab einer ganzen Bewegung den Namen, die sich der künstlerischen Befragung und Dokumentation von wahren und unwahren Begebenheiten verschrieben hat. Nicht zuletzt werden die jungen Jahre von Anne und Patrick Poirier als bedeutsam für ihr künstlerisches Konzept benannt: Aufgewachsen im weltkriegszerstörten Frankreich, war das Ruinöse ständiger Begleiter der Kindheit beider Künstler.“ Das sich Erinnern manifestiert sich in monumentalen Großskulpturen in Form von Stadtmodellen, die zugleich eine Art psychologischer Kartografie darstellen. Das titelgebende Werk „Mnemosyne“ ist ein Beispiel jener utopischen „Städte der Erinnerung“. Auf ovalem, der Form des Gehirns nachempfundenen Grundriss sind zahlreiche Bauten angeordnet, die jeweils einen für das Erinnern, das Vergessen, das Bewusste und das Unbewusste zuständigen Bereich darstellen. „Früh schon interessierte sich das Künstlerehepaar für die Archäologie, ohne sich des engen Zusammenhangs zwischen Archäologie und Erinnerung, Erinnerung und Psyche bereits deutlich bewusst zu sein. Später erkannten sie, dass zwischen der Architektur und dem Phänomen der Erinnerung ein symbolischer Zusammenhang besteht.“ Bis zum 8. Januar 2017 wird die Ausstellung, die Großplastiken wie „Ouranolpolis“ und „Mnemosyne“ beinhaltet, in Wuppertal gezeigt; Tony Cragg persönlich kuratiert sie in enger Abstimmung mit Anne und Patrick Poirier, deren Werke auch in zahlreichen renommierten öffentlichen Sammlungen wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Museum Ludwig in Köln oder dem SMAK Gent zu finden sind. Zur Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden wird ein Katalog veröffentlicht. JD Anne und Patrick Poirier – „MNÉMOSYNE“: 29.10. – 8.1.2017 Skulpturenpark Waldfrieden, Wuppertal Foto: courtesy Galerie Mitterrand, photo Aurélien Mole LIAB: Super What a Feeling Ohne die Gruppe Memphis wäre die Geschichte des Industriedesigns wohl ein ziemlich tristes Kapitel. Radikal und provokant brach Memphis mit dem vorherrschenden Funktionalismus. Eine Ausstellung im KAI 10 beleuchtet die Einflüsse der Gruppe auf die Kunst der Gegenwart. „Form follows Function“ galt bis in die 70er Jahre hinein als oberster und unwidersprochener Gestaltungsleitsatz in Design und Architektur. Design hatte nüchtern zu sein, streng im Stil und funktional; ein Designer war den Vorgaben seiner Kunden aus der Industrie verpflichtet und hatte kaum individuellen Gestaltungsspielraum. Gegen diese Dominanz rebellierte eine Gruppe junger Gestalter um Ettore Sottsass, Michele de Lucchi, Barbara Radice und Mattheo Thun, die sich im Dezember 1980 in der Mailänder Wohnung von Sottsass traf. Es war die Geburtsstunde der Gruppe Memphis, die der kühlen Sachlichkeit farbenfrohe Entwürfe und ein lustvolles Experimentieren mit Formen und Materialien entgegensetzte, das auch vor Kitsch nicht zurückschreckte. Die Revolution war erfolgreich; vor allem in Deutschland, wo man dem Minimalismus der Ulmer Schule huldigte, war das Entsetzen groß. Und obschon sich die Gruppe Memphis nach nur acht Jahren auflöste, wirkt ihr Einfluss bis heute nach. Design als Phänomen der Popkultur? Undenkbar ohne Memphis. Diesen Zusammenhängen widmet sich die Ausstellung „Less is a Bore“, die vom 29. Oktober 2016 bis zum 11. Februar 2017 im KAI 10 zu sehen ist. Dem gestalterischen Kosmos von Memphis, vertreten durch de Lucchi, Sottsass und Thun, werden Werke internationaler Künstler und Künstlerinnen von den 80er Jahren bis heute gegenübergestellt: Raymond Barion, Martine Bedin, Eva Berendes, Barbara Kasten, Graham Little, Alessandro Mendini und Tobias Rehberger. Mit den ästhetischen Kategorien der Memphis-Zeit – Mut zum Kitsch, Spiel mit Formen, Sinn für Dekoration – spiegelt die Ausstellung auch eine Haltung wider, die uns jetzt selbstverständlich erscheint, damals aber als unerhört galt: dass Design Emotionen wecken kann und soll. Wenn wir heute Dinge nicht nur als zweckmäßig begreifen und ihnen vielleicht sogar Namen geben, ist Memphis nicht ganz unschuldig. bk Less is a Bore: 29.10.2016–11.2.2017, KAI 10 Düsseldorf; kaistrasse10.de Foto: Martin Bedin 89

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