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Januar 2016 - coolibri Ruhrgebiet

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I N T E R V I E W H e l

I N T E R V I E W H e l d e n - g e s c h i c h t e n Aylin Tezel ist Tatort-Kommissarin Nora Dalay, ist Frisörin Heidi, ist ein Stachelschwein. Die 32-jährige Schauspielerin liebt die Abwechselung. Im Interview mit Irmine Estermann verrät sie, warum sie sich im Ruhrpott so wohl fühlt und der Dortmunder Tatort sie bis in den Schlaf verfolgt. Sie klingen so außer Atem. Wo hole ich Sie gerade her? Sie erwischen mich gerade auf dem Fahrrad. Ich bin auf dem Weg zum Sport. Sie fahren durch Berlins Straßen, während wir reden? Das ist Multitasking. Geht’s zum Tanzen? Nee, zum Pilates heute. Aber ich tanze auch noch. Ich mache alles gemischt. Tanzen, Yoga, Pilates, Fitness, Laufen gehen, was gerade so passt. Das ist Ausgleich und gleichzeitig hält es mich wach und fit und flexibel. Ich habe das Gefühl, ich brauche das sowohl für den Beruf als auch fürs Leben. Und ich glaube, dadurch, dass ich mit dem Tanz aufgewachsen bin, ist mein Körper einfach daran gewöhnt, benutzt zu werden. Beruflich machen Sie momentan allerdings etwas, das nicht so richtig mit Bewegung zu tun hat. Genau. Ich synchronisiere einen Animationsfilm. Die Geschichte von Robinson Crusoe, der auf einer einsamen Insel eine Gruppe von sehr eigenen Tieren trifft. Eines dieser Tiere ist ein Stachelschwein – allerdings mit sehr, sehr kurzen Stacheln. Es sieht eher aus wie ein Igel. Das ist so ein süßer, ängstlicher Charakter. Und den spreche ich. Süß und ängstlich steht aber völlig im Kontrast zu ihrer Rolle als Nora Dalay im Dortmunder Tatort, oder? „Düster und emotional. Das ist unsere Handschrift“ Das Ermittlerteam des Tatort Dortmund Fotos: WDR/Markus Tedeskino Das stimmt. Es passt mir sehr gut, wenn die Rollen möglichst unterschiedlich sind und mich vielseitig fordern. Und auch, wenn man bei so einer Sprechrolle nur seine Stimme zur Verfügung hat, ist es trotzdem wie Schauspiel, weil man in die Persönlichkeit eines anderen Charakters schlüpft. Nora Dalay ist ehrgeizig und geht mit dem Kopf durch die Wand. Ist das bei Ihnen ähnlich? Ich bin auch sehr ehrgeizig, muss ich sagen, und habe große Ziele, die ich mit sehr viel Power versuche zu erreichen. Ich bin aber gleichzeitig ein sehr familienliebender Mensch. Da würde ich ganz klar einen Unterschied sehen bei uns beiden. Mit viel Power sind sie bereits im Vorfeld an die Rolle gegangen. Wie war das Praktikum bei der Polizei vor dem ersten Tatort-Dreh? Ich war eine Woche bei der Polizei in Bielefeld, meiner Heimatstadt, und es war wirklich großartig. Ich war bei einer Verfolgungsjagd dabei und bei einem Verhör und habe viel von den Spurensicherern gelernt. Ich habe auch gelernt, wie man mit einer Waffe umgeht, was mir sehr wichtig war. Weil das so die Sachen sind, die mir als Zuschauerin auffallen. Wenn ich das Gefühl habe, dass bestimmte Handwerklichkeiten, die ein bestimmter Charakter können muss, unbeholfen wirken, fällt mir das auf. Deshalb war mir wichtig, zu wissen, was ich da tue. Das war wohl etwas anderes als ihr Praktikum für den Film „Coming In“, wo Sie eine Frisörin spielen? Stimmt. Dafür habe ich bei einer Frisörin gelernt. Ich hatte meinen kleinen Übungskopf mit langen Haaren dabei und habe natürlich auch nur an dem rumgeschnitten. Bei den echten Kunden durfte ich nur Haare waschen und föhnen. Und fegen, das muss man ja auch. Ich habe das Haareschneiden danach mehreren Freunden angeboten. Erstaunlicherweise hat niemand bei diesem Angebot zugeschlagen (lacht). Aber es war sehr lustig im Salon, weil ich da quasi in meiner Rolle gearbeitet habe, also an „Heidi“, die ich in „Coming In“ spiele. Das hatte ich mit der Chefin dort abgesprochen. Das war ganz witzig, weil mich eine Kundin fragte, ob ich schon mal gehört habe, dass ich dieser Tatort-Kommissarin so ähnlich sehe. Ich habe nur geantwortet: „Ja, das passiert mir sehr oft…“ Plötzlich ein dumpfes Poltern in der Leitung, Rascheln und dann beunruhigende Stille. „Oh, jetzt habe ich Sie fallen gelassen...“, meldet sich Aylin amüsiert zu Wort. Weiter geht‘s... 10

Ausstrahlungstermin für den nächsten Dortmunder Tatort „Hundstage“ ist am 31. Januar. Aylin Tezel spielt Nora Dalay im Dortmunder Tatort – eine Rolle, die viel fordert. Lange Drehtage und viel Zeit in fremden Städten. Wo geht es hin nach einem Drehtag in Dortmund und wie gut kennen Sie die Stadt? Im Sommer war das ganz praktisch, da war ein Gourmetmarkt in der Stadt. Und da haben mein Kollege Stefan Konarske und ich, wenn wir am nächsten Tag später angefangen haben, noch was Leckeres gegessen. Mir ist der Ruhrpott an sich nicht fremd, weil meine Großeltern mütterlicherseits lange in Recklinghausen gelebt haben und später nach Marl gezogen sind. Ich war oft da. Deshalb komme ich mit der Mentalität im Ruhrpott sehr gut klar. Was Dortmund angeht, muss ich sagen, dass ich bei jedem Dreh etwas Neues entdecke. Man hat ja oft sehr lange Drehtage und geht nur noch ins Hotel und früh schlafen – also, wenn man nicht gerade auf den Gourmetmarkt geht – und deshalb kriegt man von der Stadt gar nicht so viel mit. Man lernt aber die Orte gut kennen, an denen man dreht, wir haben zum Beispiel am Phoenixsee gedreht und an dem alten Hochofen und auch direkt vorm Bahnhof. Da schaut man sich in den Drehpausen gerne mal um. Und diesmal am Hafen. Worum geht’s in „Hundstage“? Ein Mann ertrinkt im Hafenbecken, Faber versucht vergeblich, ihn zu retten. Martina Bönisch verbindet den Toten schnell mit einem Fall, der 14 Jahre zurückliegt und der ihr damals sehr nahe ging. Es ist wieder eine düstere und emotionale Folge. Was ich gut und stark finde für unser Team, weil das unsere Handschrift ist. Ist es denn die emotionalste Folge für Sie? Für mich persönlich war „Hydra“ die emotionalste Folge, weil Nora da körperlich und seelisch sehr gefordert wurde. Sie hatte diese Kampfszene mit der Neonazi-Truppe und musste einiges erleben und verarbeiten. Gleichzeitig hatte sie noch mit der Trennung von Daniel Kossik und der Abtreibung ihres Kindes zu tun. Für mich war das eine wichtige Folge. Man fängt automatisch an, davon zu träumen Wie sehr lässt man so eine Handlung an sich heran? Ich trenne das automatisch ganz bewusst. Aber es ist immer so: Egal, was man dreht, das Unterbewusstsein spielt immer mit. Wenn man sich mit einem Thema auseinandersetzt, fängt man automatisch an, davon zu träumen und sich in seiner Freizeit damit zu beschäftigen. Trotzdem ist es so, dass ich nach einem harten und emotionalen Drehtag, an dem meine Rolle eine schlimme Situation erlebt hat, nach Hause gehe und erstmal froh bin, dass das nicht meiner eigenen Realität entspricht. Sondern, dass ich in ein sicheres Hotelzimmer zurückkomme und es mir gut geht. Der Tatort läuft seit 1970. Was glauben Sie, warum er so ein Trend ist? Ich glaube, es ist ein Ritual. Ganz viele Zuschauer schließen damit ihre Woche ab – und das seit Jahren. Sie kennen die Teams. Das Schöne ist, dass man meistens am Ende der Folge ein Stück weiter gekommen ist. Ich glaube, diese Heldengeschichten werden immer funktionieren. Menschen brauchen Leute, die für die Gerechtigkeit kämpfen. Das inspiriert sie. Und ich glaube, wenn es in den Tatort verpackt ist, dass es dann den Zuschauern keine Alpträume beschert. Was für unser Team eigentlich überhaupt nicht stimmt (lacht). Ist es auch für Sie ein Ritual? Ich gucke gerne Serien, aber dann eher amerikanische. Bei deutschen Filmen und Serien ist es leider so, dass ich das zu schnell mit Arbeit verbinde. Ich gucke eher Sachen wie Mad Man. Sex and the City ist für mich ein Klassiker. Dabei kann ich gut abschalten. Irmine Estermann 11

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