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Februar 2020 - coolibri Düsseldorf, Wuppertal

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THEMA D O R T M U N D

THEMA D O R T M U N D Streamingdienste haben rasant an Beliebtheit gewonnen –kaumjemand,der Netflix und Co.nicht nutzt. Konkurrenz fürdie Kinos, möchteman meinen.Falsch!Warum Netflix mehr nützt alsschadet. Das Kino Schauburgander BrückstraßezeigtFilme, dievon Netflix produziert werden. Foto: Felix Guth In denvergangenen Wochen warMartinScorsesesneuerFilm „The Irishman“ in allerMunde. DieBesonderheit: DerMeister-Regisseur hatdas Mafia-Eposmit Al Pacino, Robert De Niro undanderenStars im Auftragdes Streamingdienstes Netflixproduziert. Also eigentlich nichtzuerst fürs Kino –und trotzdem nutztdiese Entwicklung KinobetreiberninDortmund. Im Kino Schauburgander unterenBrückstraße warendie dreieinhalbStunden Scorsese aufder großen Leinwand zu sehen. FürzweiWochen undnur im Originaltonmit deutschenUntertiteln gibtNetflix seit 2018 selbst produzierteFilmefür Kinos nämlich frei –vor allem, um damitimRennen um Filmpreise mitmachen zu dürfen.Denndafür isteine KinopräsenzeineVoraussetzung. Schauburg-Programmgestalter Erwin Rajkovcaninlässt sich gern darauf ein. Er findet: „Soetwas wieScorseses Film oder auch ,DiezweiPäpste‘ mitAnthonyHopkins,der gerade läuft,ist idealfür unserProgramm.“ „Die Vorstellungenwaren gutgefüllt“, sagt Rajkovcanin.„Und wenn diegroßenKettenNetflix boykottieren,ist es umso besser füruns.“ Denn im Dortmunder Cinestar,das Teil derdeutschlandweit größtenKette ist, sind Netflix-Filme nichtzusehen. 12 Netflix hilft Dortmunder Kinos „Und wenn diegroßen Ketten Netflix boykottieren, istes umsobesserfür uns.“ Im Hintergrundschwelt eingrundsätzlicher Konflikt zwischen großen Kinokettenund dem Internet-Riesen. Netflixund andere Anbieterwie AppleoderAmazonverändern gerade dieSpielregeln.Ihre Filmelaufennämlich gleichzeitig im Internet undKino. Dieklassische Verwertungskette vom Kino-Erststart biszur DVD wirddamitdurchbrochen. Etablierte Filmverleiherund Kino-Ketten wollen sich den Regeln derneuenMitspieler bisher nicht „AmEnde geht es darum, ob einFilmgut genug fürdie Leinwand ist. Undnicht um die Politik dahinter.“ anpassen.UnabhängigenKinos wie„Schauburg“, „Roxy“, „Camera“oder„Postkutsche“ hilftdas. „Die Branche jammertimmer, dass demKinodie Jugend fehlt. Netflix istdas Portal,woMenschenbis 25 gucken“, sagt ErwinRajkovcanin. SeineErfahrung:Solche Angebote wie„TheIrishman“ oder „Die zwei Päpste“ ziehen Leuteindie Schauburg, dievorhernochnicht dortwaren – unddanachgerne wiederkommen.Holga Rosen, Betreiberdes „Roxy“ an derMünsterstraße in Dortmund,sagt: „Wennwir Platzhaben undgute Filmezubekommen sind,spielenwir sienatürlich.“ EinPublikum fürdie Filmeder Internet- Anbieterauch im Kinogebeesdefinitiv. „Dawirdnochdas einoderandere in dennächstenJahrenkommen. Am Ende geht es darum, ob einFilm gut genugfür dieLeinwandist.Und nichtumdie Politikdahinter“,sagtHolga Rosen. Und dasGanze geht noch weiter:Esgibtdie erstenKinobetreiber,die vermelden,dasssie an Netflix-Filmen mehr Geld verdienenals im klassischenModell. EinGrund dafür:Netflix überlässt denBetreibernmehrGeld proTicket(65 Prozent)als etwa Sony oder Disney(je 47 Prozent). AusDortmunderSicht taugtdie Entwicklungabernoch nichtfür dieganzgroße Euphorie.Erwin Rajkovcaninsagt: „Dafür verfahrennochzuviele nach demalten Standard.“ DieStraßen Dortmunds wareninden 50er-und 60er-Jahrengesäumt vonLichtspielhäusern.VeränderteKonsumgewohnheiten haben dieses Bild über dieJahrzehnte verändert.Geblieben istdas Cinestar am Hauptbahnhof als Anker fürden Mainstream. UndesgibteineReihe vonEnthusiasten und Filmliebhabern,für diedas Geschäft mitProgrammkinos funktioniert. EinregelmäßigesProgramm fürdas KinoimU hingegen, im Juni 2018 voneinem Verein an die StadtDortmundabgegeben, suchen dieDortmunder vergeblich. Der2012gebaute Kinosaal wirdnur unregelmäßigbei Veranstaltungenim Dortmunder Ugenutzt. Felix Guth

THEMA Erschreckender Sonnenschein K Ö L N PatrickSalmenstarteteseine Karriereauf den Poetry-Slam-Bühnen derRegion,liest inzwischen aberinganz Deutschlandvor ausverkauftenHäusern.Lukas Vering erzählt er,warumerlieber Schreiberling alsRampensauist, wasihn in Ekstaseversetzt und warum ihm alte Damen Pfandflaschen in denBuggy legen. Bist du eher RampensauoderSchreiberling? Eher Schreiberling. Auch wenn ichwahnsinniggerne vorleseund es genieße,Menschenzum Lachen zu bringen, istesmir bisheute fast einbisschen unangenehm im Mittelpunktzustehen. Manchmal fehltmir da das Selbstbewusstsein. Aber noch unangenehmer wäre es mir,wennjemand anderesmeine Texteauf derBühne präsentieren würde. Dein neuesProgramm zumimDezember erschienenen Buch heißt„Ekstase“–wasversetztdichdenninekstatische Zustände? NetteMenschenund gutesEssen!Bratkartoffelnversetzen mich in einen Zustandvon Tranceden jedwedeDesignerdroge nieerreichenkönnte. Dein letztesBuchhieß„Treffen sich zwei Träume.Beide platzen“ –welche deiner Träume sinddennschon geplatzt? Einige!Früherwollteich gerneseriöser Romanautorwerden, aber durch meineNeigungzuAlbernheitund absurder Komik habeich mir denWeg wahrscheinlich jetztschon verbaut. Für das Feuilletonbin ichder „Comedy-Typ“. Für dieComedy-Branche wiederrumbin ichder dubioseVorleseonkel.Mittlerweileist mir dasrelativ egal,ich versucheimGraubereich zwischen ernsterund unterhaltender KunstmeinDingzumachen. Eine Leserkritikauf amazon.de (wieman weiß, derMaßstab allerDinge), bemängelt,dassdein„Blickfür dieDetails unsererGesellschaft“ leider „ausschließlich negativ“sei.Ist dasso? Ohne dieses Interviewhätte ichvon derKritiknie erfahren.Werde da nun vermutlich längerdrüber nachdenken,als es mir lieb ist. Wenn manmein Buch immer abwechselndmit einemGlücksratgebervon Eckhartvon Hirschhausen liest, müsstesichdas im Neutraleneinpendeln. Kann einnegativer Blickdenntrotzdemein humorvoller sein? Im menschlichen Scheiternstecktschon wesentlich mehr Komik als in Erfolgsgeschichten.Ehrlichgesagt, finde ichmeinenBlick überhauptnicht so negativ. Vielleichtüberwiegt manchmal eine gewisse Grundskepsis, aber ichsehemicheherweniger als zynischenDauernörgler.Das wäre ehrlich gesagt sogarmeingrößter Albtraum,soeinen reaktionärenKabarettduktus zu bekommen!Freunde undtreue Leservon mir sagensogar, mein Grundton seipositiver als jemals zuvor.Sie warennahezuerschrocken,was für einlebensbejahenderSonnenscheinaus mir geworden ist. Du fühlstgerne aktuellen Trenderscheinungen aufden Zahn –von Street Food über Achtsamkeits-Apps bisHygge kriegen alle ihrFettweg.Spürst du schon, wasder nächsteTrend wird? „Bratkartoffeln versetzenmichin einen Zustand vonTrance“ Aufviele Artenkreativ:Patrick Salmen Das weiß ichnicht.Meine Kritikgiltweniger denTrends,als vielmehr dem Umgang damit. Achtsamkeitist ja etwasWichtigesund wir alletun gutdaran, unswiedermehrRuhezeiteneinzugestehen undzulernen, aktiv Langeweilezuzulassen. Mich nervtdie ganzeInszenierungund dieseRatgeberkultur, diesofortalles zur Religion erhebt unddann irgendwelche überbezahltenLifecoaching-Eumelausbrütet.Esist doch eigentlich sehr simpel: Rausgehen, Handyaus,Schnauze halten.Und atmennicht vergessen. Du kommst ausWuppertal. Wasverbindet du mitder Stadt? DiemeisteZeithabeich im Luisenviertel gelebt.MeinLieblingsfleck istaberdefinitivdie Nordstadt. Einpluralistischer OrtvollerMöglichkeiten.Vor allem dasganze Utopiastadt-Projekt hatesmir sehr angetan. Mitwelcher Leidenschaft dort aktiv Stadtteilentwicklungbetrieben wird istbeeindruckend! Vielleichtsogardas Herzder WuppertalerKulturszene. Du hast langeinDortmundgelebt–istdie Stadtein guter Standortfür eine Karriere aufder Bühne? Ichhabesechs JahreinDortmundgelebt. Fürdas Tourleben istder Pott dank derzentralen Anbindung optimal. VorvierMonaten binich umgezogen. Eigentlich wollte ichnachWuppertal,bin aber in Schwelmgelandet. Bisweilenerweist sich dasKleinstadtleben als krasserKontrastzuden urbanenSzenebezirken.Neulich habeich meinen Sohn zur Kita gebracht undauf demRückweg hatmir eine ältere Dame eine Pfandflasche in den leeren Buggy gelegt.Entwedersinddie modernen Rollenbilder noch nicht zu ihrvorgedrungen oder ichsolltemichmal wieder rasieren.Aberich genießedie Ruhe.Wobei ichauch Angsthabe, seltsamzuwerden. Neulich habeich mireineMultifunktionsjacke gekauft.Der Anfangvom Untergang! Nach Rap-Projekt,Rätselbuch und Kinderliteratur–was stehtjetztan? Icharbeite an einemRoman.Umden fertigzuschreiben,werde ichabereine längere Bühnenpausebenötigen.Ansonsten habeich mirfürsneue Jahr vorgenommen, mehr Zeit für Freunde undFamiliezuhaben. PatrickSalmen: 9.2., Gloria,Köln; 22.2.,ZecheCarl, Essen 13 Foto: Fabian Stuertz |Photographer.

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