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August 2016 - coolibri Düsseldorf

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I N T E R V I E W „ V

I N T E R V I E W „ V e r ä n d e r u n g e n s i n d n i c h t i m m e r b e l i e b t “ Seit Februar laufen die Arbeiten am Kulturentwicklungsplan, kurz KEP, für Düsseldorf. Im April 2017 soll das Ergebnis vorgestellt werden. 250 000 Euro lässt sich die Stadt das Ganze kosten. Natürlich stößt so ein Prozess nicht überall auf Begeisterung. Kritische Stimmen befürchten eine Ökonomisierung des Kulturbetriebs. Alexandra Wehrmann sprach mit Projektleiter Dr. Patrick S. Föhl. Herr Föhl, was genau ist ein Kulturentwicklungsplan und was soll er leisten? Ein Kulturentwicklungsplan hat verschiedene Funktionen. Übergeordnetes Ziel ist, vor dem Hintergrund gesellschaftlicher sowie städtischer und regionaler Veränderungen Schwerpunkte für eine zukunftsorientierte Kulturpolitik zu entwerfen und Rahmenbedingungen für eine zeitgemäße Kulturarbeit zu schaffen. Es geht also auch um Veränderungen und die sind nicht immer beliebt. Sie leben in Berlin. Wie gut kannten Sie eigentlich die hiesige Kulturszene, als Sie den Job angenommen haben? Die Düsseldorfer Kulturszene war mir schon im Vorfeld sehr gut bekannt. Aber darum geht es gar nicht. Viel wichtiger in solchen Prozessen ist der neutrale Blick von außen in das „Aquarium“ voller Akteure und Themen. Sie haben im Februar mit der Arbeit am Kulturentwicklungsplan begonnen. Das Ergebnis soll im April 2017 vorliegen. Was haben Sie schon geschafft, was liegt noch vor Ihnen? Wir haben schon viel geschafft. Wir haben Experteninterviews und eine erste Netzwerkanalyse durchgeführt, wir haben einen ersten großen Auftaktworkshop im Malkasten sowie einige Spezialworkshops abgehalten. Wir sind im Quatschmobil des NRW-Forums durch Düsseldorf gefahren und parallel laufen etliche Analysen der Kulturförderströme, der kulturpolitischen Entscheidungen und ein Cultural Mapping. Insgesamt haben wir bereits weit mehr als 200 Menschen intensiv in den Prozess eingebunden. Vor uns liegen unter anderem weitere Workshops, ein Open Space für die Bürger, viele Verständigungsprozesse und zusätzliche Analysen. Sie haben dabei nicht nur mit den Direktoren der großen Museen gesprochen. Oder den Intendanten von Oper und Tonhalle. Wie breit ist das Spektrum derer, die gehört werden? Das Spektrum ist sehr breit angelegt. Es reicht von den genannten Akteurskreisen über Künstler und Kulturschaffende, Akteure aus der kulturellen Bildung, dem Tourismus, dem Sozialbereich, dem Oberbürgermeister – bis hin zu Schülern. 8 „Einseitige Sichtweisen gibt es in diesem Prozess nicht.“ Wie viele Kollegen sind neben Ihnen an dem Projekt beteiligt? Derzeit arbeiten zehn externe Kollegen an verschiedenen Aufgabenstellungen. Hinzu kommt Dinah Bielicky aufseiten des Kulturamtes, die den Prozess koordiniert, sowie ihre Kollegen vom Kulturamt. Sie sind Kulturberater. Wie wird man das? Persönlich würde ich mich eher als Moderator und Begleiter bezeichnen, aber ja, der Terminus Kulturberater trifft auch zu. Wie bin ich dazu gekommen? Ich habe Kulturmanagement studiert und nach einem Job in einer Kultureinrichtung entschieden, mich selbstständig zu machen. Im Laufe dessen habe ich mich dann auf die Begleitung von Transformationsprozessen im Kulturbereich spezialisiert. Tätig war ich bereits in über 20 Städten und Regionen in Deutschland. Zudem arbeite ich regelmäßig im Ausland. Was ist der Unterschied zwischen Ihrem Job und dem eines Unternehmensberaters? Es gibt sicherlich viele Parallelen, aber der größte Unterschied ist meines Erachtens die vor Ort zu leistende Kommunikation und der sensible Umgang mit dem Kunst- und Kulturbereich. Zudem haben wir keine Agenda, also keinen vorgefertigten Auftrag wie zum Beispiel ein bestimmtes Sparziel. Bei der Erstellung des KEP setzen Sie stark auf Beteiligung. Von einem „geschützten Denkraum“, in dem die Akteure die Themen selbst bestimmen, ist die Rede. Welche wichtigen Themen haben sich bis heute herauskristallisiert? Das thematische Spektrum bei einer Großstadt wie Düsseldorf ist selbstredend umfangreich. Wir können aber zwischen drei großen Feldern unterscheiden. Das sind zum einen Grundsatzfragen im Feld der Kulturpolitik und -verwaltung. Der Wunsch nach Schwerpunkten und einer Vision sowie nach einer klaren Haltung im Hinblick auf die Kunst- und Kulturentwicklung. Der zweite Punkt ist die Stärkung des Feldes der kulturellen Teilhabe. Die Positionierung Düsseldorfs als Kunst- und Kulturstadt. Dazu gehören auch zeitgemäße Strategien für die Sichtbarkeit und Kommunikation im Kulturbereich. Der letzte Punkt umfasst mehrere spartenspezifische Themen. Darunter fällt die kooperative Entwicklung der Museumslandschaft, das Kulturquartier am Bahnhof, aber auch das Überprüfen aktueller Strukturen, zum Beispiel in Sachen Proberäume, und gegebenenfalls die Ausrichtung auf veränderte Bedarfe.

Foto: Natalka Diachenko Moderator und Begleiter: Dr. Patrick S. Föhl Viele äußerten die Sorge, dass ein solcher Plan eine Ökonomisierung von Kultur zur Folge haben könnte, dass also das Angebot stark von einer Nachfrage bestimmt wird. Was entgegnen Sie denen? Zunächst ist zu sagen, dass dieses Kriterium nicht handlungsleitend für den Prozess ist. Indes stellt sich bei öffentlich geförderten Kulturangeboten natürlich die Frage nach deren Nutzung, Zugänglichkeit und gesellschaftlicher Verantwortung. Darüber hinaus gibt es andere Kriterien wie die künstlerische Qualität. Das gesamte Spektrum ist zu betrachten. Einseitige Sichtweisen gibt es jedenfalls nicht in diesem Prozess. Das mit der Beteiligung klingt natürlich zunächst mal gut. Dennoch müssen und werden am Ende des Prozesses Entscheidungen getroffen werden. Wie kann sichergestellt werden, dass im Sinne aller, also auch der Kulturakteure und Kulturkonsumententen, entschieden wird? Partizipation bedeutet nicht, dass alle Ideen am Ende umgesetzt werden. Dies ist zum einen nicht zu leisten und wäre andererseits undemokratisch, können doch nie alle gehört werden. Beteiligung ermöglicht die Mitsprache aller Interessierten unter der Prämisse klarer Spielregeln mit dem Ziel, am Ende zu Empfehlungen zu kommen. Das heißt aber nicht, dass alle immer zufrieden sein können. Es kann durchaus auch vorkommen, dass die Kulturpolitik unangenehme Entscheidungen treffen muss. Die Nachbarstadt Köln hat bereits einen Kulturentwicklungsplan erarbeiten lassen. Was hat der ergeben, welche Konsequenzen zog dieser nach sich? Dieser Plan entstand unter der Prämisse, den Kulturhaushalt in Köln zu erhöhen und die Argumentationsgrundlage dafür zu schaffen. Die Finanzkrise hat diesen Plan dann zum Teil ausgebremst. Nichtsdestotrotz ist diese expansive Strategie heutzutage eher untypisch. Das Gros der gegenwärtigen Kulturplanungen befasst sich vor allem mit der Frage, wie man das Bestehende durch Kooperationen im Kulturbereich und mit anderen Feldern zukunftsfest machen kann. kep-duesseldorf.de 9

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